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Hof Morgarot

Woher bezieht eigentlich die Traube ihr Obst und Gemüse? Dies ist eine Geschichte über einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb, der mit seiner Philosophie Grosses leistet. P.S. Es war schön. Früh, aber schön.

Kennen Sie das? Sie betreten einen Raum, setzen einen Fuss auf ein Stück Land, begegnen einem Menschen, dem Sie nie zuvor begegnet sind. Und in diesem Moment tippt Ihnen Ihr Instinkt auf die Schulter und flüstert Ihnen ins Ohr: «So sollte es sein. Genau so!» Vielleicht, weil Raum, Ort oder Mensch ein Lebensgefühl in Ihnen weckt, nach dem Sie sich tief drinnen sehnen?
Vielleicht, weil Sie in dem Moment eine Echtheit wahrnehmen, von der Sie sich mehr wünschen? Oder vielleicht, weil Sie schlicht eine Romantikerin, ein hoffnungsloser Romantiker sind?

«Ich neige dazu, Dinge zu romantisieren», gestehe ich Manuela Schmid kurz vor acht Uhr morgens meine Gedanken, nachdem sie uns einen herzhaften Zmorge aufgetischt hat. Übrigens, ich bin Doris Büchel, der schreibende Teil des Redaktionsteams.

«Es ist ja auch sehr romantisch hier oben», sagt sie verständnisvoll nickend und blinzelt in die Morgensonne, «romantisch und mit sehr viel Arbeit verbunden.» Sie lacht. Doch eines nach dem anderen. Denn tatsächlich beginnt diese Geschichte schon viel früher.

Mitten im Nirgendwo

Ein paar Wochen zuvor: «Wollen wir uns ansehen, woher die Traube ihr Gemüse, ihr Obst und die Kräuter bezieht?», fragten wir uns – wir, das Redaktionsteam, bei einem unserer monatlichen Treffen. Und weil uns die Idee so gut gefiel, stellten wir dieselbe Frage bald dem Traube-Gastgeber Marco Planitzer, der wiederum Küchenchef Michal Klimek und Sous-Chef Christian Gick fragte. Passt! So gelangte die Anfrage an Manuela und Marcel Schmid, die Betreiber des Hof Morgarot und seit Mai 2022 offizielle Partner der Traube. Passt! Der Plan stand also, die Umsetzung begann jedoch mit einem kleinen Haken: «Wir werden früh loslegen müssen!», warnte uns Roland, unser Hausfotograf, vor, er wolle unbedingt die Goldene Stunde ausnutzen. «Kein Problem!», antworteten wir, «wann soll es losgehen?» «Start um sechs Uhr – spätestens!» (Schluck!) Passt!

Und so beginnt diese Geschichte an einem Bilderbuch-Mittwochmorgen Mitte Juni um 04:30 Uhr, als bei allen Beteiligten der Wecker klingelt (was optimal war, weil: Der Tag versprach wettermässig perfekt zu werden; was nicht optimal war, weil: Dienstags und mittwochs ruht die Traube, was einerseits das frühe Aufstehen des Traube-Teams an seinem freien Tag besonders erwähnenswert macht und andererseits die dezent verquollenen Augen einzelner Protagonisten auf den Bildern erklärt (und verzeihlich macht)). Doch ich greife schon wieder vor.

Bevor wir so richtig in diese Geschichte einsteigen, möchte ich unbedingt die Anfahrt erwähnen, denn nur schon diese lässt einen die Hektik des Alltags vergessen. Lenkt man sein Fahrzeug nämlich von Altstätten aus über die ersten Kurven des Ruppen und biegt bald rechts ab, schlängelt sich die Strasse hoch, vorbei an sattgrünen Hängen, immer weiter hoch, bis aus der Strasse ein Forstweg wird, die Häuser weniger und die Wälder mehr werden und man sich zwangsläufig irgendwann fragt: Wo um Himmels willen landen wir hier?

Gefühlt ewige zehn Minuten ab Altstätten dauert diese Zeitreise hinauf zum Hof Morgarot mitten im Nirgendwo, wo uns Manuela Schmid fröhlich winkend und mit einem Strahlen im Gesicht in Empfang nimmt. Nach einer herzlichen Begrüssung starten wir pünktlich um 06:00 Uhr unseren Rundgang mit einem Besuch im Beerenfeld. Manuela barfuss und munter voraus, an ihrer Seite eine Spur weniger munter Marco, Michal und Christian – stets ein paar Schritte zurück das Redaktionsteam. Die Frühsommer-Morgensonne wirft lange Schatten und legt einen milde wärmenden Mantel um unsere Schultern. Da ein Flirren, hier ein Flattern, dort ein Zirpen. Kleine Welt in goldenes Licht getunkt.

«Man muss es verstehen, um es zu verstehen.»

Insgesamt 22 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaften Manuela und Marcel Schmid seit 2015 gemeinsam. Haus und Land kaufte Marcel, der den Betrieb in dritter Generation führt, seinem Vater ab. Mehrere Hektar kaufte und pachtete das Ehepaar im Laufe der Zeit dazu. Kennengelernt haben sich Manuela, die studierte Tierphysiotherapeutin, und Marcel, der gelernte Dachdecker/Zimmermann, während der Ausbildung zur eidgenössisch geprüften Bäuerin, respektive zum eidgenössisch geprüften Bauern. «Uns war von Anfang an klar, dass wir Tiere, Gemüse und Obst haben wollen», erzählt sie uns, während wir durch hohes Gras gehen, über Zäune klettern, uns gegenseitig Beeren aus offenen Handflächen klauben und Kirschen von Bäumen naschen. «Wir wollten eine hohe Biodiversität schaffen mithilfe von Hecken, Sträuchern und Mauern, dies alles mit natürlicher Bewirtschaftung.» Ihr Vorhaben setzten sie Schritt für Schritt um.

Heute produziert der Hof Morgarot eine Vielzahl an Nahrungsmitteln – Gemüse, Obst, Kräuter, Fleisch –, dies komplett ohne Chemie, dafür mit umso mehr Hingabe. Die «Man muss es verstehen, um es zu verstehen.» meisten Pflanzen sät das Team, welches nebst der Familie Schmid aus fünf Mitarbeitenden besteht, selbst an. «So wissen wir jederzeit genau, was bei uns wächst.» Apropos selbst: Ich selbst versuche hier gar nicht erst den Anschein zu erwecken, etwas von Landwirtschaft zu verstehen. Doch die Wesentlichste aller Aussagen verstehe ich: «Unser Obst- und Gemüseanbau erfolgt zu hundert Prozent natürlich. Das heisst, wir kommen zu hundert Prozent ohne Pestizide, Fungizide und Herbizide aus.» Okay!

Schnecken als Hygienepolizei

Seit der Gründung im Jahr 2015 steht der Hof Morgarot für die Permakultur – das Thema, mit dem sich die Schmids in den vergangenen Jahren etabliert und sich einen Namen gemacht haben. Der Begriff Permakultur setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern «permanent» und «agriculture» und steht für ein nachhaltiges Konzept für Landwirtschaft und Gartenbau. Dieses basiert darauf, natürliche Ökosysteme in der Natur genau zu beobachten und nachzuahmen mit dem Ziel, ein System zu schaffen, in dem Mensch, Tier und Pflanzen in Einklang leben. Manuela erklärt es uns so: «Die Permakultur versucht im Grunde, die natürlichen Kreisläufe zu kopieren. Wir arbeiten deshalb täglich daran, unser Landwirtschaftssystem so widerstandsfähig wie möglich zu machen. Was das konkret bedeutet, wird uns Marcel später beim Zmorge anhand eines Beispiels erklären: «Im Gegensatz zu uns arbeiten die meisten Höfe auf Effizienz. Dazu werden die Grundstücke zuerst flach gemacht, um sie danach möglichst schnell mit möglichst grossen Maschinen bewirtschaften zu können. Uns interessiert allerdings viel mehr die Biodiversität.»

Tatsächlich: Das Grundstück, über das wir gehen, präsentiert sich nicht flach. Im Gegenteil. Es geht auf und ab, über Stock und Stein, zeigt sich auf den ersten Blick urtümlich, gleichzeitig aber auch übersichtlich, sodass sich auf den zweiten Blick die klare Raumordnung und Einteilung erschliesst. Und während unsere Lebensgeister wacher werden, geht Manuela, die passionierte Bäuerin, weiter voraus, hält immer wieder inne, spricht fachkundig und lebhaft von Sinn und Zweck des unebenen Geländes, von Sonneneinstrahlung und Schatten, Mikroklima, Bodenfruchtbarkeit, Wasser-Wiederverwertung, güllefreiem Gras (weshalb es auf dem Hof nicht nach Gülle stinkt) und uraltem Wissen, welches sie gerne nutzen … Dann bleibt sie erneut stehen, grinst, steckt sich eine frisch gepflückte Kefe in den Mund und sagt: «Man muss es verstehen, um es zu verstehen. Ich meine, man muss wirklich zuhören und hinsehen!»

Vergangenheit und Zukunft


Weiter geht es mit unserem Rundgang, auf dem wir Felder voller Kefen passieren, Kartoffeln, Karotten, Buschbohnen, Kohlrabi, Fenchel, Brokkoli, Randen, Winterkürbisse und Kopfsalate. Wir gehen entlang an Hecken und Sträuchern, jungen und alten Bäumen, lassen uns Zeit, betrachten den idyllischen Pflanzen- und Kräutergarten (wobei sich Marco, Michal und Christian immer wieder von der Qualität der Gemüse und Früchte überzeugen und diese mehrmals mit einem herzhaften und ausgedehnten «Mmmhhh» bewerten), die Setzlinge, Tiergehege und Weideflächen, die Versuchsfelder. «Versuchsfelder?», frage ich erstaunt nach.

Wir erfahren: Den Begriff «Regionalität» definieren die Schmids nicht nur damit, was sie rund um ihren Hof herum anbauen. Regionalität hat für sie auch damit zu tun, was sie anbauen könnten. Manuela: «Wir probierten schon einiges aus. Auch einiges, was (noch) nicht funktioniert. Cranberrys zum Beispiel, oder die Dreilappige Papau. Daran müssen wir noch etwas mehr tüfteln!» Überhaupt: Dadurch, dass man ohne Pestizide und ganz nah an und mit der Natur arbeite, sei man auch den Temperaturschwankungen vermehrt ausgesetzt. Einiges könne man deshalb nicht genau planen. Und manchmal gehe auch etwas schief. Das Experimentieren sei deshalb ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit. Dies immer mit dem obersten Ziel, Schädlinge und Nützlinge möglichst in Einklang zu bringen. «Schnecken zum Beispiel sind die beste Hygienepolizei und genauso wichtige Mitarbeitende wie Regenwürmer & Co.» Sie müsse deshalb jederzeit spüren, wie es ihren Pflanzen und Setzlingen gehe, sagt Manuela, streicht mit der ausgestreckten Hand über das hohe Gras und zupft da und dort an einem Blatt. Dieser tägliche Rundgang sei ein äusserst wichtiger Teil ihres Alltags, der normalerweise morgens um fünf Uhr losgehe. «Wir lernen jeden Tag dazu, probieren aus, scheitern, freuen uns über Erfolge. Wir wollen andere inspirieren und unser Wissen teilen.»

Seit einigen Jahren bieten sie deshalb zusätzlich zum Landwirtschaftsbetrieb auch sehr erfolgreich (Online-) Kurse zu verschiedenen Themen aus dem Bereich der Permakultur an. Ein perfektes Beispiel dafür, dass die Schmids eben nicht in der Vergangenheit leben, sondern durchaus zukunftsgerichtet unterwegs sind. Auch dies wird uns Marcel später beim Zmorge bestätigen, indem er sagt: «Uns begleiten stets die Fragen: Wie sieht es in 20, 30 Jahren aus? Hat unser System Zukunft? Funktioniert es auch noch für die nachfolgende Generation?»

Eine starke und
gesunde Erde

So riechen wir weiter an Kräutern und Pflanzen, hören die Eseldamen Bella und Berta (die gleichzeitig als «Schutzhunde» für die Schafe fungieren) iahen und sehen den Wolken zu, die am Himmel Fangis spielen. Es ist schön hier. Alles. Die Landschaft, das Panorama, das Wetter, die Sicht, die Ruhe – und die Philosophie des Hof Morgarot.

Und dann, nach etwas mehr als einer Stunde, ist unser Rundgang zu Ende. Während die Sonne langsam höher steigt, freuen wir uns auf den Kaffee, den uns Manuela zusammen mit Gipfeli und Aufschnitt (natürlich mit Fleisch der hauseigenen Tiere) auftischt. Nun gesellt sich auch Marcel zu uns an den rustikalen Holztisch vor dem Haus, und mit ihm die vierjährige Naomi samt Strubbelfrisur, das jüngste von drei Kindern, die soeben aufgestanden ist.

Warum macht ihr, was ihr macht?», frage ich zwischen zwei Schlucken in die entspannte Stille hinein. Manuela und Marcel schweigen einen Moment, schauen sich an, dann antwortet sie ruhig und mit klarem Blick: «Weil wir uns und die Menschen mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen möchten. Weil wir uns mutige Menschen wünschen, die sich als Teil der Erde wahrnehmen. Weil wir uns eine starke und gesunde Erde wünschen. Und natürlich, weil wir unseren Beitrag leisten wollen.» Und ich denke: So sollte es sein. Genau so.

Hof Morgarot

Hof Morgarot steht für authentische Permakultur. Manuela und Marcel Schmid haben sich in den vergangenen Jahren mit ihrer Philosophie einen Namen gemacht und sich mit ihrer natürlichen Landwirtschaft etabliert. Für die Familie Schmid bedeutet dies:

 

Artgerechte Tierhaltung sowie naturgetreuer Anbau, sodass ohne jegliche Spritzmittel nachhaltige Kreisläufe gestaltet werden können. Zusätzlich zum Landwirtschaftsbetrieb werden sehr erfolgreich (Online-)Kurse zu verschiedenen Themen aus diesem spannenden Gebiet angeboten. Mehr Informationen finden Sie auf der Website.