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Was hat den Ausschlag gegeben? Ich meine, was passierte zwischen der Idee, die Küche zu ersetzen bis hin zu dieser Total-Renovierung, wie sie jetzt stattfindet?

Ivan: Den Ausschlag gaben «statische Ertüchtigungen». Das heisst, wir mussten aus statischen Gründen so vorgehen. Sonst wäre es irgendwann nicht mehr möglich gewesen, hier einen Gastrobetrieb zu führen.

Kathrin: Alle, die an diesem Bau in irgendeiner Art und Weise beteiligt sind, waren erstaunt, in welch schlechtem Zustand das Haus war. So mussten wir uns entscheiden: Machen wir es richtig? Oder lassen wir es ganz bleiben? Wir entschieden uns für «all in».

Was war/ist in diesem Prozess das Learning für euch?

Kathrin: Als wir uns am Anfang mit dem Umbau befassten, war uns klar: Wir machen es schön, wir machen es geschmackvoll, und dann übergeben wir das Gasthaus an jemanden, der sich auskennt in der Gastronomie. Das war unser Plan. Wir verfügen ja bereits über Erfahrung mit dem Umbau von alten Häusern, und einige Fragen muss man sich stellen, ob man nun ein Haus oder ein Restaurant umbaut: «Wie stelle ich mir das perfekte Bad vor? Was muss meine Küche alles können? Wo soll das Büro hin?» Doch plötzlich steckten wir mitten in einem gastronomischen Konzept, und ganz viele zusätzliche, neue Fragen tauchten auf: «Für wen soll das Gasthaus sein? Wie viele Leute wollen wir bewirten? Wie viele Leute können wir bewirten? Und was sind die Bedürfnisse dieser Gäste?»

Ivan: Dazu kommt, dass wir nicht einfach unsere persönlichen Ideen umsetzen können. Wir sind auf zahlreiche Fachleute angewiesen – gerade auch in Bezug auf den Denkmalschutz.

«Man muss verletzlich sein, um überhaupt ganz Mensch zu bleiben.»

Gab es einen Moment, an dem ihr den Bettel hinschmeissen wolltet?

Ivan: Nein!

Kathrin: In diesem Konzept steckt unsere ganze Lebensphilosophie drin. Ivan und ich geben sehr vieles von uns preis, und wer etwas von sich preisgibt, macht sich verletzlich. Dieses Gefühl raubt mir manchmal ein bisschen den Atem und mein Herz klopft zuweilen ein bisschen schneller. Mir ist aber auch klar: Man muss verletzlich sein, um überhaupt ganz Mensch zu bleiben …

Ich verstehe, wie wichtig euch der Mensch, die Begegnung ist. Was aber bedeutet dies konkret für die Traube? Wer soll sich hier begegnen?

Ivan: Wenn wir die Zeit ein paar Jahre zurückdrehen, dann war dieses Haus immer ein Lokal für jede Frau und jeden Mann. Früher kam der Gemeinderat nach seinen Sitzungen hier her und das Volk durfte sich dazusetzen und Fragen stellen. Auch heute soll die Traube ein Ort sein, an dem sich die Werdenberger treffen. Und zwar alle.

Mir scheint, unser Setting hier mit dem Champagner und dem Tonic auf dem Baukübel passt ganz gut zu dieser Aussage …

Kathrin: Stimmt! Du willst nach dem Kinobesuch ein Glas Wein trinken? Nach der Büez ein kühles Bier oder ein elegantes Nachtessen bei Kerzenlicht geniessen? Jeder und jede ist willkommen. Wir wollen nicht selektionieren. Wir haben ganz viele Räume für verschiedene Anlässe und Möglichkeiten. Und: Der Stammtisch bleibt wichtiger Bestandteil unseres Konzepts! Wir haben auch bewusst am Montag offen, weil dann der Stadtrat tagt. Uns würde es freuen, wenn sich die Stadträtinnen und Stadträte nach ihrer Sitzung zu uns gesellen würden – fast wie früher.

Auf welchen der erwähnten zahlreichen Räume freut ihr euch persönlich ganz besonders und warum?

Kathrin: Ganz fest freue ich mich auf das Gartenzimmer, – das gibt es aber erst im 2023 im neuen Hotel. Das Gartenzimmer wird schön weiblich, hell und leicht, sanft in den Farben. Man kann dort Kaffee und Kuchen geniessen, ein gutes Buch lesen. Darauf freue ich mich sehr.

Ivan: Ich freue mich besonders auf den Eiskeller. Wenn ich daran denke, sehe ich eine bunte Gruppe von Menschen an einer langen Tafel sitzen, feine Häppchen essen und ein gutes Glas Wein trinken. Natürlich freue ich mich auch auf die Weinkeller, welche jedoch aus organisatorischen Gründen nur in Begleitung zugänglich sein werden. Wein ist meine Leidenschaft. Und natürlich wird dem Wein in der Traube eine besondere Bedeutung zuteilwerden. Eines unserer Bestreben ist es, eine Weinkarte zu kreieren, die sich von anderen abhebt. Darauf möchte ich aber noch nicht näher eingehen (lacht).

«Wir wollen einen Ort kreieren, an dem sich die unterschiedlichsten Menschen begegnen und sich wohlfühlen.»

Warum sollten die Menschen, abgesehen vom Wein, in die Traube kommen?

Kathrin: Uns ist bewusst, dass unsere Region auf den ersten Blick touristisch nicht so viel bietet wie beispielsweise Luzern mit seiner Kapellbrücke oder Zermatt mit seinem Matterhorn. Wir haben deshalb den Anspruch, dass die Gäste in erster Linie wegen der Traube an sich den Weg zu uns finden. Dabei setzen wir auf drei Pfeiler: Wir wollen architektonisch eine Oase schaffen, in die der Gast eintritt und den Alltag vor der Türe lässt. Wir wollen mit unserem Gastronomiekonzept überzeugen und einen Ort kreieren, an dem sich die unterschiedlichsten Menschen begegnen und sich wohlfühlen. Und die Weinkarte soll Strahlkraft haben über die Region hinaus. Wenn die Leute dann auch noch merken, was unsere schöne Region alles zu bieten hat für Naturliebhaber, Kulturfreunde und Sportbegeisterte, dann ist es umso besser. 

In der Traube steckt also ganz viel Persönliches. Erzählt ihr mir mehr von euch? Wer seid ihr? Was hat euch geprägt?

Ivan: Mein Papa kam in den frühen 60er-Jahren aus Süditalien in die Schweiz. Meine Mama kam ungefähr zur gleichen Zeit aus Spanien, zuerst nach Liechtenstein als Zimmermädchen und dann nach Sennwald in die Tuchfabrik, wo sie meinen Vater kennenlernte. Wie alle Italiener und Spanier träumte auch Papa davon, nach seiner Pensionierung mit der ganzen Familie zurück nach Italien zu gehen, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Meine Eltern haben deshalb ihr Leben lang hart als Hilfsarbeiter gearbeitet. Als er pensioniert wurde war ich 34, hatte längst meine eigene Familie gegründet und selbstverständlich überhaupt keine Lust, mit meinen Eltern nach Süditalien zu ziehen. Auch Mama sagte: «Wenn ich nochmals anfangen würde, dann natürlich in Spanien!» So blieben sie ihr Leben lang in dieser Region.

Kathrin: Wir beide, – Ivan und ich – sind keine Ur-Schweizer, wir sind Kinder von Einwanderern, und unsere Eltern erlebten den 2. Weltkrieg. Ich bin die Tochter eines Vorarlberger Vaters, der ein sehr erfolgreicher Patron mit viel Herzblut war und einer Vorarlberger Mama, die sehr gerne geschrieben und gewoben hat. Sie war eine Künstlerseele, litt an schweren Depressionen und nahm sich das Leben, als ich 25 war. Von Papa habe ich wohl meine hohe Sozialkompetenz, von Mama meine ausgeprägte kreative Ader. Aufgewachsen bin ich im konstanten Spannungsfeld zwischen «wir sind eine stinknormale Familie, die gerne zeltet und wandert» und dem Aussenbild einer Industriellentochter, «einer Schertler.» Ich weiss noch gut: In Haag gab es damals genau drei Mercedes-Fahrer, und einer davon war mein Vater (lacht). Man kannte uns! Jeder wusste, dass die VAT Vakuumventile AG ein Unternehmen mit weltweiter Anerkennung war. Trotzdem hat unser Elternhaus mich und meine drei älteren Geschwister stark geerdet. Uns war immer klar: Nichts wird verschwendet oder weggeworfen. Alles hat seinen Wert!

Wann habt ihr euch kennengelernt?

Ivan: Das war 1985. Kathrin war sechzehn und hatte gerade ihre Ausbildung zur Kindergärtnerin begonnen; ich war achtzehn und absolvierte eine Lehre als Heizungsmonteur. 1988 zogen wir zusammen nach Buchs, seither gehen wir unseren Weg gemeinsam. Nach diversen Weiterbildungen machte ich 2003 mein Hobby zum Beruf und eröffnete ganz blauäugig ein eigenes Geschäft. Daraus ist die Secli Weinwelt entstanden. Zusammen gründeten wir ausserdem unsere Immobilienfirma und Kathrin engagiert sich stark im Werdenberger Kleintheater fabriggli, wo sie seit 2005 Präsidentin ist. Es ist einiges los im Hause Secli-Schertler. (lacht). 

Kathrin: Mit unserer Philosophie, die wir in der Traube verfolgen, bleiben wir uns selber treu, denn sie basiert auf unseren ganz persönlichen Geschichten und Prägungen. Wer versteht, wie wir aufgewachsen sind, versteht, dass wir aus der Traube niemals nur ein gehobenes Lokal machen könnten. So sind wir einfach nicht.

Jetzt habe ich so viel Harmonie und Gemeinsamkeit zwischen euch erlebt. Hand aufs Herz: Wer trifft die Entscheidungen? Und rumpelt es dabei auch hin und wieder?

Ivan: Kathrin ist froh, dass ich mich um die technischen Dinge kümmere …

Kathrin: Ivan ist froh, dass Ruth (Ruth Kramer, ästhetisches Auge von aussen und Konzeptentwicklerin, Anm.) und ich uns um die Schönheit der Dinge kümmern. Klar verdrehen die Männer manchmal die Augen, wenn wir wieder mit unseren ästhetischen Ansprüchen kommen. Aber das halten wir gut aus. 

Wir haben es gehört – ihr seid beide viel beschäftigt. Zum Schluss möchte ich euch deshalb fragen: wie und wo tankt ihr auf?

Kathrin: Ich traue mich zu behaupten, dass ich sehr leistungsfähig und organisiert bin. Wenn ich an einer Sache arbeite, bin ich hundertprozentig fokussiert. Aber ich kann nicht so gut abschalten, das ist nicht meine Stärke. Allerdings erhole ich mich sehr schnell. Mir reicht eine schöne Wanderung an einem freien Sonntag oder eine kleine Biketour am Feierabend. Und was für mich ganz wichtig ist: zwischendurch ein Tag mit meinen Freundinnen zu verbringen. Sie sind für mich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. 

Ivan: Mir reicht eine Runde Golf aus, dabei kann ich den Kopf lüften. Und natürlich schöpfe ich sehr viel Energie aus meinen Kindern. Unser Junior spielt Fussball, und ich begleite ihn extrem gerne auf den Fussballplatz. Der Fussball spielt in meinem Leben schon eine ziemlich wichtige Rolle.

Vielen Dank Kathrin und Ivan für das schöne Gespräch.

 

Interview: Doris Büchel
Fotos: Roland Lichtensteiger

Tabula Rasa

Was macht ihr am Morgen zuerst? Kathrin: Morgentoilette / Ivan: Morgentoilette. Welche wichtigste Eigenschaft müssen eure Mitarbeitenden mitbringen? Kathrin: Sozialkompetenz / Ivan: Loyalität. Was ist Chefsache? Kathrin: Liebevoll führen und gleichzeitig schauen, dass es den Mitarbeitenden gut geht. / Ivan: Entscheiden. Welches gastronomische Erlebnis möchtet ihr unbedingt einmal erleben? Kathrin: In einer lässigen Runde ein authentisches, ehrliches Essen in schöner Umgebung geniessen. Ivan: San Sebastian kulinarisch entdecken.

 

Was findet man immer in eurem Kühlschrank? Kathrin: Naturjoghurt / Ivan: Ein gutes Stück Fleisch. Wen möchtet ihr irgendwann einmal in der Traube begrüssen? Kathrin: Meine leider bereits verstorbenen Eltern, das wäre schön. / Ivan: Alle. Was würdet ihr sie/ihn fragen? Kathrin: War es das, was ihr mir an Werten mit auf meinen Lebensweg geben wolltet? / Ivan: Fühlt ihr euch wohl bei uns?