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Wie hast du das angestellt?

Ich verschlang Bücher zu den verschiedensten Themen, saugte alles auf, was mich interessierte, liess mich von meinem Gefühl leiten und spürte mehr und mehr, in welchen Gebieten ich meine Kenntnisse vertiefen wollte. Auf diese Weise kam ich der grossen Frage immer näher: Was ist Architektur.

Du ahnst meine nächste Frage.

Was ist Architektur? (lacht) Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. In meiner Abschlussarbeit habe ich es zumindest versucht. Als Einleitung schrieb ich einen Text über meine Ferien in Schweden, als ich nur mit Zelt und Kanu unterwegs war. Wir paddelten den ganzen Tag, suchten uns am Abend einen Platz für unser Zelt, sammelten Holz, kochten auf dem Feuer, schliefen. Am nächsten Tag brachen wir alles wieder ab und zogen weiter. Alles brauchte viel Zeit, es waren aber auch Handlungen, die mich enorm entspannten. Ich glaube, Architektur muss etwas Ähnliches schaffen. Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, haben unbegrenzte Möglichkeiten. Schlussendlich sind es aber die ursprünglichen Dinge, die uns Halt geben – sowohl in der Architektur wie auch ganz allgemein im Leben. Der Titel meiner Masterarbeit lautete deshalb «Die Geste des Ursprünglichen». Ich denke, darum geht es. Das ist für mich Architektur.

«Letztendlich ist Architektur für mich immer die Verbindung zwischen dem Menschen und einem Ort.»

Dass wir beim Reden über Architektur auf das Kanufahren und Zelten kommen, überrascht mich.

Als Architekt möchte ich mich mit Themen beschäftigen, die – angefangen bei den ersten Hütten, die man gebaut hat, bis in die heutige Zeit – immer vorkommen. Dann geht es plötzlich nicht mehr um Trends, sondern darum, eine Sprache zu finden, die an einen bestimmten Ort passt. Letztendlich ist Architektur für mich immer die Verbindung zwischen dem Menschen und einem Ort. 

Welche Sprache passt zum Gasthaus Traube?

Der Entwurf der Traube baut auf einer einfachen Idee auf: Auf der einen Seite gibt es den leeren Platz mit dem einzelnen Baum. Gegenüber entsteht ein intimer Garten. Das ergibt ein Spannungsfeld zwischen der Natur und dem städtischen, vom Menschen befreiten Raum. Das ist die Grundidee der Traube, darauf basiert der ganze Gebäudekomplex. Wie aber macht man das für den Menschen erlebbar? Die Antwort lautet erneut: Es geht weniger um eine bestimmte Stilrichtung als mehr um eine Auseinandersetzung mit den ursprünglichen Themen wie Raum und Weg. 

Konkret: Bei einem historischen Gebäude wie der Traube sehe ich unsere Hauptaufgabe darin, die vorhandene Raumstruktur herauszuschälen. Das war gar nicht so leicht, denn beim Restaurant zum Beispiel fing es vor rund zweihundert Jahren mit einem einfachen Haus mit vier Räumen an. Man kann sich im Grundriss ein Kreuz vorstellen. Darauf wurde über verschiedene Bauepochen hinweg aufgebaut: Es entstand ein Mittelgang, es entstanden neue Räume rechts und links, noch ein Mittelgang, noch ein Raum, und so weiter. Trotzdem war die ursprüngliche Form nach wie vor lesbar. Unser Ziel war es, diese wieder herzustellen und gegebenenfalls an die heutigen Bedürfnisse anzupassen.

Du redest von «uns». Wer ist «uns»?

In das Projekt «Gasthaus Traube» ist das ganze Büro «Berger + Partner AG» involviert. Deshalb ist mir wichtig, von uns als Team zu reden. Ich bin sehr froh darüber, dass ich nach meinem Studium und einem eigenen Projekt wieder bei meinem ehemaligen Lehrbetrieb anfangen und gemeinsam mit ihnen das sehr interessante Projekt «Traube» aufnehmen konnte. Für mich ist es eine riesen Erfahrung und ich fühle mich sehr gut aufgehoben.

Seit Wochen dürfen wir Einheimischen von aussen die Renovierung des Gasthaus Traube mitverfolgen. Gewährst du uns einen Blick durchs Schlüsselloch?

Eines meiner grossen Anliegen in der Architektur ist es, ein Erfahren von Räumen zu schaffen, dies immer bezogen auf den Menschen. Im Erdgeschoss der Traube gibt es zum Beispiel vier Haupträume: Den schmalen, relativ niedrigen Eingangsbereich; das kleine Wohnzimmer rechts, das mit sehr dicken Aussenwänden für Intimität sorgt und eine grosse Geborgenheit ausstrahlt; dann das räumliche Phänomen, dass die Braustube drei Tritte im Boden versenkt ist und man dadurch wie in einer Wanne sitzt; und nach der Braustube geht die räumliche Reise weiter in den Traubensaal, der auch von der Raumhöhe her einiges höher und schön luftig ist. Das sind vier komplett unterschiedliche Räume, die über ihre räumlichen Proportionen völlig unterschiedliche Stimmungen in den Menschen auslösen können. Das fasziniert mich. Mit diesen Elementen arbeite ich.

«Das Einfache herausschälen, respektive alles Komplizierte wegnehmen, um es wieder auf das Wesentliche zu reduzieren.»

Und mich fasziniert deine Faszination für die Sache.

Es tönt vielleicht alles etwas einfach (lacht). Für mich gibt es allerdings zwei Arten von Einfachheit. Die eine ist das Banale, das relativ schnell uninteressant wird. Die andere ist das Selbstverständliche, also das, in das du sehr viel Arbeit investierst, ohne dass das Resultat auf den ersten Blick danach aussieht. Das war auch die Hauptaufgabe bei der Traube: Das Einfache herausschälen, respektive alles Komplizierte wegnehmen, um es wieder auf das Wesentliche zu reduzieren. Dasselbe gilt für das Hotel. Auch da gehen wir von ganz einfachen, mehrheitlich quadratischen Räumen aus.

Danke für diesen Einblick. Lass uns noch ein bisschen über deine Hobbies reden, deine Leidenschaften nebst der Architektur.

Ich bin sehr gerne draussen in der Natur, schätze aber auch enorm das Pulsierende einer Stadt. Ich mag viele Menschen auf engem Raum und die unzähligen kulturellen Möglichkeiten und Ereignisse, die eine Stadt zu bieten hat. Beides hat für mich seinen Reiz.

Aufgewachsen bin ich mit dem Zelten. Es übt für mich die Faszination des Reduzierten aus. Das Zelt selber ist eine wahnsinnig schöne, einfache Konstruktion. Das Unterwegssein mit dem Wesentlichsten empfinde ich als sehr entspannend. Meine Freundin und ich sind deshalb auch gerne mit dem Stand Up Paddle Board unterwegs. Wir paddelten zum Beispiel kürzlich während zwölf Tagen rund um die Insel Elba herum, ohne zu wissen, was genau auf uns zukommen wird. Wir waren jeweils drei, vier Tage völlig autark unterwegs und gönnten uns dann wieder eine Nacht auf einem Zeltplatz, um unsere Vorräte aufzufüllen und zu duschen. Letztendlich war es eine enorm schöne und spannende Erfahrung, eine Insel vom Meer aus zu entdecken. Es eröffnete uns neue Perspektiven.

Was begeistert dich sonst noch am Stand Up paddeln?

Das Unmittelbare. Es gibt nur das Board und das Paddel, mit dem du dich fortbewegst. Du hast die Möglichkeit, das Nötigste an Gepäck zu transportieren, ohne es selber tragen zu müssen. Vor zwei Jahren wanderten meine Freundin und ich zwei Wochen mit Rucksack und Zelt auf der Isle of Skye in Schottland. Das war körperlich wesentlich anstrengender als das Paddeln.

Eine letzte Frage: Es ist ein milder Freitagabend Mitte September, wie fühlst du dich jetzt, wenige Monate vor der geplanten Eröffnung?

Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich über Architektur reden kann (lacht). Mein Gefühl ist, dass diese Projekt alle Massstäbe sprengt und zwar auf allen Ebenen. Es ist extrem fordernd, aber wenn ich an die Räume denke, die am Entstehen sind, dann erfüllt mich das mit einer grossen Zufriedenheit. 

Vielen Dank Jan für das schöne Gespräch.

Interview: Doris Büchel
Fotos: Roland Lichtensteiger

Tabula Rasa

Was machst du am Morgen zuerst? Frisch geröstete Kaffeebohnen für einen Espresso mahlen. Welche wichtigste Eigenschaft muss ein Team mitbringen? Das Wissen um die Stärken und Schwächen eines jeden Einzelnen. Was ist Chefsache? Eine klare Haltung. Welches Gebäude fasziniert dich aus architektonischer Sicht? Das Zisterzienserkloster «Le Thoronet». 

 

Warum? Die Mauern singen. Wohin zieht es dich immer wieder? In die Stube meiner Wohnung. Wo möchtest du noch hin? Grönland. Was findet man immer in deinem Kühlschrank? Milch. Mit wem würdest du gerne einmal in der Traube essen? Mit allen, die das Projekt Traube mitprägen. Was würdest du sie fragen? Was ist Architektur?