Buchen Wochenmenü

Das heisst, du bist seit 18 Jahren selbstständig? Kompliment!

Danke! Diese Konstanz habe ich sicherlich auch dem Umstand zu verdanken, dass ich jung Vater wurde und dadurch eine gewisse Stabilität brauchte. Ich konnte mir nicht leisten, bis in die frühen Morgenstunden zu feiern. Im Gegenteil. Ich ging früh ins Bett, stand früh auf und widmete meine Zeit der Arbeit und der Familie.

Was ist – grafisch gesehen – deine Handschrift? Wie würdest du deine Haltung beschreiben?

Meine Spezialität ist, dass ich alles mache. Ich gestalte für den Veloladen, den Schreiner, die Traube. Mich in verschiedenste Menschen und Geschäftsmodelle hineinzudenken, gefällt mir sehr. Immer noch! Du sprichst auch meine Haltung an. Ich arbeite sehr gerne reduziert, frage mich, was braucht es und versuche wegzulassen, was nicht passt und nicht absolut notwendig ist. Aufräumen ist mein Thema. Jetzt fällt es mir gerade auf: Mein Job ist im Grunde genommen Aufräumen (lacht). Aber auch das Spielerische ist ein wichtiger Teil von mir. Ich lasse mich gerne treiben und spiele mit den Elementen. Das hat weniger mit bewusstem Denken als vielmehr mit dem Machen zu tun. Im besten Fall vergesse ich, dass ich am Arbeiten bin und komme in einen Zustand, in dem es einfach fliesst. Ich tauche ab, und wenn ich wieder auftauche, ist etwas da.

«Ich tauche ab, und wenn ich wieder auftauche, ist etwas da.»

Du musst also nicht nur dein Handwerk beherrschen, sondern auch ein gutes Gespür für Menschen haben.

Ein gutes Gespür ist sicher wichtig. Noch wichtiger ist echtes Interesse an den Menschen und ihren Themen. Ich frage mich: Was ist das für ein Mensch? Worum geht es ihm? Wo steht sie jetzt? Wo will er hin? Wovon träumt sie?

Und wann ist der Moment wo du sagst: Jetzt ist gut, jetzt passts?

Wenn ich die klare Haltung spüre in meiner Arbeit, spürt es der Kunde meistens auch. Dann passt es. Ich kann nichts verkaufen, das ich selber nicht spüre. Es hat vieles mit Regeln zu tun, die ich aufstelle und konsequent anwende. Beim Gasthaus Traube zum Beispiel ergab sich die Druckform der Buchstaben, Worte und Sätze aus der Form einer Traube. Dieses Gestaltungselement zieht sich durch alle Elemente durch – egal ob es sich um die Speisekarte handelt, das Täfelchen an der Toilettentür oder einen Instagram-Post.

Wäre für dich jemals ein anderer Beruf in Frage gekommen?

Ich zog damals verschiedene Berufe in Betracht, schnupperte im kaufmännischen Bereich, Landschaftsgärtner hätte mich interessiert und Zimmermann. Im Grunde wollte ich aber schon immer ein Künstler sein. Ein Maler. Damals malte ich grosse, bunte Graffitis. Das Versinken im Zeichnen und Malen war immer schon ein Teil von mir. Aber auch die Typografie faszinierte mich früh. Buchstaben können lustig sein, steif oder stolz – das fand ich spannend. So hat mich das Grafische schon früh angezogen.

Und doch etablierst du dich mehr und mehr als Künstler.

Weil ich früh Vater wurde, ging es in erster Linie darum, Geld zu verdienen. Je älter mein Sohn wurde, desto mehr Zeit und Raum tat sich auf, um nicht nur das zu tun, was es unbedingt brauchte. So ergaben sich meine ersten Bilder mit Ansichten aus der Luft. Dabei konnte ich mein Hobby – das Gleitschirmfliegen – mit der Kunst verbinden. Konkret: Ich fotografierte während des Fliegens, wählte danach bewusst Ausschnitte aus diesen Bildern aus und malte diese im Atelier nach. Jetzt ist mein Sohn erwachsen, und ich könnte den Schritt zum Künstler wagen.

Deine Motive haben sich weiterentwickelt, von den Wolkenbildern hin zu Waldbildern.

Während der Coronazeit habe ich meine Fliegerei stark eingeschränkt. Ich wollte kein unnötiges Risiko eingehen. So fing ich an, mich mit den «Hinterhof-Ansichten» hier aus dem Atelier zu befassen. Für mich war dies ein wichtiger Schritt. Ich habe Erfolg mit meinen Wolkenbildern. Aber ich wollte mich nie nur mit Dingen beschäftigen, von denen ich weiss, dass sie funktionieren. Ich möchte mich weiterentwickeln. Wachsen. So sind es momentan eben diese eher dunklen Waldbilder, die mich interessieren. Das Unterholz.

Das Unterholz?

Wenn ich hier aus dem Fenster in den Wald hineinschaue, präsentiert sich mir nichts als Unordnung und Chaos. Äste wachsen wild durcheinander – es ist ein einziges Ghetto. Dieses Komplexe fasziniert mich. Es erinnert mich an den Zustand der Welt.

Was lösen deine Bilder in den Betrachter:innen aus?

Am schönsten finde ich, wenn jemand nicht genau formulieren kann, was ihn oder sie genau fasziniert. Ich freue mich, wenn meine Bilder visuell funktionieren. Daraus ergibt sich diese Spannbreite: Viele sehen in den Bildern etwas Helles, Leichtes. Andere sehen darin Dunkles, Depressives. Das finde ich sehr spannend.

Zum Schluss: Wie geht es weiter mit dir und deiner Arbeit? Gibt es weitere Projekte, auf die wir uns bereits freuen dürfen?

Auf jeden Fall! Ich weiss zwar nicht, ob ich es schon verraten darf, aber wir arbeiten derzeit intensiv an einem analogen Traube-Magazin, welches Geschichten rund um die Traube erzählt und im Herbst zum ersten Mal erscheinen soll. Und im Frühling 2023 kommt das Hotel – da steht für mich die ganze Signaletik im Vordergrund. Die Traube wird mich also glücklicherweise noch eine Weile begleiten. Es ist sehr cool, für einen Kunden alles gestalten zu dürfen. Auch in der Kunst geht es weiter und ich freue mich heute schon auf die Ausstellung im Werdenberger Kleintheater fabriggli diesen September.

Vielen Dank Adrian für dieses interessante Gespräch.

Interview: Doris Büchel
Fotos: Roland Lichtensteiger

Tabula Rasa

Was machst du am Morgen zuerst: die Träume der letzten Nacht sortieren Dieses Projekt würde ich gerne bespielen: Eine Ausstellung in der Tate Gallery of Modern Art in London. Das Schönste an meinem Beruf ist: Mit meiner Kreativität den Menschen zu ermöglichen, sich ihre Träume zu verwirklichen. Kopf in den Wolken oder Füsse auf dem Boden: Zuerst das eine, dann das andere. Analog oder digital: Analog.

 

Welche Kunstausstellung muss man derzeit gesehen haben: Die Retrospektive zu Georgia O'Keeffe in der Fondation Beyeler. Warum? Weil sie unglaublich schöne  Farbnuancen malte. Welches Buch soll man heute lesen: Das blinde Licht von Benjamin Labatut. Mit wem würdest du gerne einmal in der Traube essen? Sophia Loren, Spinoza, Francis Bacon und Shinichi Mochizuki. Was würdest du sie fragen: Sophia, darf ich dich küssen?