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«Ich freue mich über jede Flasche Wein, die ich aufmachen darf.»

Ums Haar wäre sie nach dem Abitur bei der Bundespolizei gelandet. Aber dann kam es anders. Zum Glück! Sabrina Schmidt, 1992 in Hessen nahe Frankfurt geboren, entdeckte ihre Leidenschaft für Wein und Champagner. Heute begleitet die ausgebildete Sommelière die Gäste der Traube bei der Wahl des passenden Getränks – dazu gehören auch Eigenkreationen alkoholfreier Cocktails.

 

von Doris Büchel

Zugegeben, die vermutlich schweizweit umfangreichste (Schaum-)Weinkarte der Traube kann auf den ersten Blick etwas überfordern. Wer gerne Wein oder Champagner trinkt, sich jedoch nicht besonders gut auskennt, verliert beim Durchsehen der über tausend Positionen schon einmal den Überblick. Aus diesem Grund war es naheliegend, das geschulte Serviceteam mit einem Profi – einer Sommelière – zu ergänzen. Wer nun denkt, die Profession von Sabrina Schmidt beschränke sich auf das Empfehlen eines Weines oder das korrekte Öffnen der Flasche am Tisch, täuscht sich. Denn: Wein ist nicht nur Leidenschaft, Genuss und Spass, sondern vor allem ein faszinierendes und ungemein spannendes Metier, das viel Fachwissen erfordert.

DB: Was genau beinhaltet das Weinwissen einer Sommelière?
SS: Wie lange hast du Zeit? (lacht) Ich schlage vor, wir fangen einfach vorne an … Die Themen sind enorm vielseitig, was diesen Beruf so faszinierend macht. Eine Sommelière verfügt über fundierte Kenntnisse über Weinregionen, Traubensorten und Weinherstellungstechniken – bei uns auch «Kellertechnik» genannt. Sie kann Wein professionell verkosten und kennt die richtigen Techniken für das Servieren von Wein und anderen Getränken. Dazu gehört das Öffnen der Flaschen, das Dekantieren, das Einschenken sowie die Wahl der richtigen Gläser – die Gläser wären übrigens ein eigenes grosses Thema. Der Beruf erfordert ein hohes Mass an Menschenkenntnis, um auf die Vorlieben und Bedürfnisse der Gäste eingehen zu können. Selbstverständlich muss ich immer auf dem neusten Stand sein und Kenntnis über aktuelle Weintrends haben. Eine gute Kommunikationsfähigkeit ist generell wichtig, um auch eng mit dem Küchen- und Servicepersonal zusammenarbeiten zu können. Lebenslanges Lernen gehört unbedingt dazu. Abgesehen davon bin ich, genau wie die anderen, im Service tätig. Die Zeiten, als eine Sommelière ausschliesslich für den Wein zuständig war, sind vorbei.

Beeindruckend! War dir klar, was der Beruf alles beinhaltet, als du diesen Weg eingeschlagen hast?
Eigentlich gar nicht, denn ich bin eher Schritt für Schritt in dieses Metier hineingewachsen. Das heisst, es gab nicht den einen Wendepunkt in meinem Leben, an dem ich mich entschied, Sommelière zu werden.

Nimmst du uns ein bisschen mit auf deine Reise?
Innerhalb meiner Familie waren Essen, Trinken und Genuss immer grosse Themen. Ich denke, der Ursprung davon liegt bei meiner Oma, die in ihrem Garten Unmengen an Lebensmitteln selbst angebaut und in ihrer Küche verwertet hat. Während des Abiturs jobbte ich an der Bar einer beliebten Eventlocation, und als es mit der Bundespolizei nicht klappte, bot mir einer meiner damaligen Chefs an, eine Ausbildung als Hotelfachfrau bei ihnen zu machen. Wir hatten eine kleine, feine Weinkarte, die mich allerdings völlig überforderte. Zum Glück fand ich eine Weinlieferantin, die mir ein bisschen Nachhilfeunterricht gab. So konnte ich mir etwas Basiswissen aneignen. Meine nächste Anstellung war im Schwarzwald. Dort erfuhr ich, was es bedeutet, nahe einer Weinregion zu leben. Ich hatte den Eindruck, alles drehe sich um Essen und Trinken. Es war toll! Eines Tages hörte ich von einem jungen Typen aus der Schweiz, der etwas Cooles in einem Schloss aufgebaut habe. Ich schaute es mir im Internet an und sah, dass er eine Stelle ausgeschrieben hatte …

Der junge Typ war Andreas Caminada und das Schloss war Schloss Schauenstein, richtig?
Ganz genau! Ich fing als Serviceangestellte an und brauchte gefühlt dreihundert Jahre, um die Sterneküche einigermassen zu verstehen. Glücklicherweise zog mich die Sommelière etwas mit und stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Als Caminada im Jahr 2018 auf Schauenstein eine kleine Pause einlegte, nutzte ich die Gelegenheit, um mich in Deutschland zur geprüften Sommelière IHK weiterzubilden. Das heisst, ich wuchs Schritt für Schritt in das Thema Wein hinein.
Definitiv den Ärmel reingezogen hat es mir, als ich anfing, Weingüter und Weinregionen zu besuchen. Bislang kannte ich nur die Theorie. Aber zu sehen, wie die Winzer und Hersteller praktisch arbeiten … das war und ist schon faszinierend. So fügte sich plötzlich alles zusammen und ergab einen Sinn.

Was hast du vor Ort gelernt, das du in einer Schule nicht lernen kannst?
Zum Beispiel, wie massiv die Lebenssituation der einzelnen Winzer die Weinqualität beeinflusst – ist es ein sehr kleiner Familienbetrieb oder ist es ein riesiges Weingut, das sich auch Experimente leisten kann? Wie gehen die Winzer mit Wetterkapriolen um? Was bedeutet Bio? Wie unterscheiden sich die Philosophien der Winzer und Herstellerinnen? Geben sie alles, um ein supercooles Label zu kreieren oder wollen sie marketingtechnisch einfach gut dastehen? Sind sie selbst täglich in den Reben? … Es sind unglaublich viele Feinheiten und vermeintliche Kleinigkeiten, auf die es letztendlich ankommt.

Wie ging es weiter?
Ich blieb bis im Jahr 2019 im Schauenstein. Dann wollte ich eigentlich zurück nach Deutschland, lernte allerdings hier meinen Freund, einen Koch, kennen. So hat sich ein neues Projekt ergeben – das Gourmetrestaurant Memories in Bad Ragaz –, das wir von Anfang an mit aufgebaut haben. Dabei konnte ich unglaublich viel lernen, vor allem von Amanda Wassmer-Bulgin, die eine herausragende Sommelière ist. Als Junior-Sommelière war ich dann mit zuständig für die alkoholfreie Getränkebegleitung. Ich habe entsaftet, fermentiert, eingelegt … das alles war sehr spannend!

Und jetzt bist du in der Traube.
Genau! Ich kenne die Secli Weinwelt schon seit langem und traf immer wieder  auf Ivan Secli. Irgendwann sagte er zu,mir: «Solltest du einmal auf Stellensuche sein, gib mir Bescheid.» Als wir uns bei einem Abendessen in der Traube zufällig wieder begegneten, kamen wir ins Gespräch. So hat sich das ergeben (lacht). Es ist ein sehr gutes Gefühl zu wissen, mit und für jemand zu arbeiten, der einhundert Prozent hinter der Sache steht, das Beste herausholen und etwas sehr Cooles machen möchte. Die Traube- Weinkarte ist wirklich ausserordentlich.

«Wenn ich eine sehr rare Flasche öffne, überlege ich mir schon zweimal, welches Werkzeug ich verwende.»

Was macht die Weinkarte für dich ausserordentlich?
Sicherlich die enorme Vielseitigkeit und Auswahl. Umso schöner ist, dass ich den Gästen zur Seite stehen und ihnen Vorschläge unterbreiten kann. Was auch toll ist: In wenigen Restaurants wird der Schaumwein auf diese liebevolle Weise zelebriert wie in der Traube. Das hat sicher damit zu tun, dass Ivan und seine Crew selbst absolute Champagnerfans sind. Was ich im Sinne der Nachhaltigkeit auch schön finde: Dass wir auf der Weinkarte ausschliesslich europäische Weine anbieten. Alles kann auf dem Landweg transportiert werden.

Wird man als Sommelière zuweilen nervös, wenn man einen raren, besonders exklusiven Wein an einen Tisch bringt?
Definitiv! Da spürt man schon das Adrenalin! Wobei ich sagen muss, dass ich mich über jede Flasche Wein freue, die ich aufmachen darf, egal, was sie kostet. Schliesslich möchte ich aus jedem Wein das Beste herausholen. Aber ja, wenn ich eine sehr rare Flasche öffne, überlege ich mir schon zweimal, welches Werkzeug ich verwende (lacht).

Erlaubst du mir zum Schluss die Frage: Was kannst du uns über dich verraten, damit wir dich ein bisschen näher kennenlernen?
Ich lebe mit meinem Freund in Chur, das heisst, auch bei uns daheim dreht sich alles um Genuss, Essen und Trinken (lacht). Auch ich koche sehr gerne, und so laden wir häufig Freunde zu uns ein. Meistens entscheiden wir zuerst, was wir trinken, dann kochen wir etwas Passendes dazu.Abgesehen davon schlendere ich gerne durch die Stadt – von Lieblingsladen zu Lieblingscafé und wieder zurück. Ich war immer schon sehr sportlich und kurz keimte sogar die Hoffnung auf, mich wieder meinem alten Hobby, dem Handball, widmen zu können. Aber noch passt es nicht ganz zusammen mit den Arbeitszeiten. Eines nach dem anderen …

Vielen Dank für diesen Einblick und das schöne Gespräch.

Bewusst schmecken und riechen

Ein ausgeprägter Geschmackssinn ist für eine Sommelière, einen Sommelier Pflicht. «Man kann vieles lernen, vor allem durch das bewusste Wahrnehmen », sagt Sabrina Schmidt, Sommelière der Traube, die täglich rund fünf bis zehn Weine verkostet.

 

Ihr Tipp: Werde dir all der uns gegebenen Sinne bewusst. Wie schmeckt ein gelber Apfel, wie ein grüner? Wie riecht eine Banane, wenn sie unreif ist, wie riecht sie reif? Gehe bewusst durch den Tag, rieche und schmecke und versuche dir jeden Tag einen weiteren Eindruck abzuspeichern.