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I JUST LIKE YOU!

Sie ist Modedesignerin, Designprofi und Betreiberin des wunderbaren Bed&Breakfast Brücke49 in Vals. Und sie ist, so sagte es Kathrin Schertler Secli treffend, «das ästhetische Auge der Traube». Sie selber bezeichnet sich als Frau, die schon als Kind von Schönem und Glamourösem fasziniert war. Im Interview spricht Ruth Kramer über den skandinavischen Stil, warum sie sich gerne überraschen lässt und den einen Fehler, den man beim Inneneinrichten tunlichst vermeiden sollte.

Liebe Ruth, ich habe in verschiedenen Artikeln über dich viele verschiedene Berufsbezeichnungen gefunden. Daher freue ich mich, dass ich dich direkt fragen kann: Was bist du?

Danke für diese Frage. Ich habe mich schon als Kind für alles Schöne interessiert, habe viel gelesen und extrem viel geträumt. Häufig träumte ich von einem glamourösen Leben. Kein Wunder: Als ich jung war, sah ich in Zeitungen die Bilder des Schah von Persien, Onassis segelte mit Maria Callas herum… All dies war glamourös und ich habe es aufgesaugt. Mein Vater war Textiltechniker, von ihm habe ich wohl mein Talent für Technik und Mathematik. Aber ich wollte lieber etwas mit meinen Händen machen. So studierte ich Modedesign an der Design Schule in Herning (Dänemark) und arbeitete danach dreissig Jahre lang als Designerin für kleinere und grössere Unternehmen. Zuletzt leitete ich zehn Jahre lang das Designteam eines grossen Unternehmens. Wir präsentierten und verkauften zehn Mode-Kollektionen im Jahr. Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich selber bezeichne mich gerne als Homemaker (lacht).

Wie kamst du von der Mode zum Interior Design?

Interior Design habe ich nicht gelernt. Ich habe einfach irgendwann herausgefunden, dass ich das kann. Ich habe ja nicht nur ein ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen, sondern auch eine ziemlich wilde Fantasie (lacht). Meinen Kundinnen und Kunden teile ich von Anfang an mit, dass ich Amateurin bin. Ich erkläre ihnen, wie ich arbeite, dass ich meine Moodboards von Hand zeichne und dass vieles über das Gespräch passiert. Schliesslich gestalte ich nicht meine eigene Welt, sondern möchte in die Welt meiner Kunden schlüpfen und deren Träume erfüllen.

«Der skandinavische Stil ist tief in meiner DNA verankert.»

Das heisst, du brauchst nicht nur ein ästhetisches Auge, sondern auch ganz viel Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl?

Genau. Meine wichtigste Aufgabe ist das Zuhören. Am zweitwichtigsten ist, damit leben zu können, dass die Wünsche meiner Kunden nicht immer meinen eigenen Wünschen entsprechen. In diesem Sinne verfüge ich über keine grosse Eitelkeit. Wobei ich natürlich schon versuche, meinem Stil treu zu bleiben. Sonst geht es nicht.

Beschreibst du mir den typischen Ruth-Kramer-Stil?

Ich habe während meiner Arbeit in Schottland, wo ich verschiedene Hotels einrichten durfte, einen Ausdruck für mich erfunden: Scandi Scott! In der Schweiz nenne ich meinen Stil einfach Scandi Swiss (lacht). Logisch, ich habe fünfzig Jahre lang in Dänemark gelebt. Ich liebe alle dänischen Möbelklassiker. Der skandinavische Stil ist tief in meiner DNA verankert. Übersetzt könnte man sagen, ich liebe zeitlose, natürliche und authentische Sachen. Ich liebe es, aus alten Sachen Neues zu kreieren. Ich liebe Dinge mit Geschichte. Ich liebe alles, was langlebig ist und, ganz wichtig, ich möchte niemals ein Museum erschaffen. Ich möchte alles jederzeit anfassen und nutzen dürfen.

Dann komme ich direkt zur Gretchenfrage: Was ist gutes Design?

Gutes Design ist, wenn du keine Lust mehr hast, etwas dazuzutun, aber auch nichts wegnehmen möchtest. Diese Balance strebe ich an. Klar, wenn du fertig eingerichtet bist, kann es sein, dass du hier noch eine Vase brauchst oder dort noch einen Stuhl. Aber ich hoffe, dass wir fast alles haben, wenn die Traube fertig eingerichtet ist.

Was ich eine Interior Designerin schon immer einmal fragen wollte: Wie geht man an ein grosses Projekt wie zum Beispiel das Gasthaus Traube heran? Ich meine, wo fängt man an?

Bei der Traube war es so: Als Kathrin Schertler Secli und ich uns zum ersten Mal trafen, war die spontane Reaktion auf beiden Seiten: «I just like you!». Wir mochten uns einfach auf Anhieb. Sie sagte Dinge, die für sie wichtig waren, und ich wusste genau: Das funktioniert! Sie hat so viel Know-how, weiss so viel über Kunst, Kultur und Design. So sprachen wir vom ersten Tag an dieselbe Sprache. Konkret heisst das, dass ich zuerst einmal zuhörte. Dann erstellte ich ein Moodboard mit den Möbeln und den Umrissen der verschiedenen Räume, sortierte Bilder dazu, kombinierte Farben und dazwischen erfolgten immer wieder Gespräche. Ich hatte das grosse Glück, dass meine Ideen Kathrin von Anfang an gefielen. So fühlte es sich nie wirklich wie Arbeit an (lacht).

«Das Schlimmste ist, jemandem Kreativität vorzuschreiben.»

Irgendwann wurden Entscheide gefällt und dann ging es darum, die Sachen zu kaufen oder zu bestellen. Gehst du dazu persönlich zu den Lieferanten? Oder bestellst du online? Wie machst du das?

Beides. Wobei ich schon sagen muss, dass Referenzen wie die Traube hilfreich sind, um Türen zu öffnen. Wir haben ja auch einige Spezialanfertigungen machen lassen, die es auf diese Weise nur in der Traube geben wird …

Nennst du mir ein Beispiel?

Wir haben einen Barschrank bauen lassen für das Wohnzimmer, da steckt so viel Liebe drin, so viel Detail. Ich habe ihn jedoch nicht selber entworfen. Viel lieber gehe ich mit meinen Vorstellungen zum Möbelschreiner, überlasse ihm die konkrete Umsetzung und lasse mich vom Resultat überraschen. Das Schlimmste ist, jemandem Kreativität vorzuschreiben. Das Beste ist, wenn du die Profis machen lässt. Dann bekommst du immer mehr, als du erwartest. Das liebe ich.

Welche ist in deinem Beruf die grösste Herausforderung?

Das Zusammenspiel zwischen Architektur und Interior Design kann zuweilen herausfordernd sein. Als kreativer Kopf für das Innenleben eines Raumes interessiert mich natürlich auch das Aussenleben und die Funktion eines Hauses. Dabei finde ich extrem wichtig, dass man einander gut zuhört und sich gegenseitig respektiert. Manchmal dauert es jedoch einen Moment, bis man die gleiche Sprache spricht.

Für uns Nicht-Designerinnen: Welchen Fehler gilt es in Sachen Inneneinrichtung tunlichst zu vermeiden?

Ich denke, rein privat soll man sich sein Heim genauso einrichten, wie man Lust hat. Was ich allerdings für einen Fehler halte, ist ein billiges Bett zu kaufen. Wichtig finde ich auch die Bettwäsche, damit man gut schläft. Ach ja, einen guten Stuhl finde ich auch wichtig. Drumherum kann man der Fantasie dann freien Lauf lassen. Ich meine, wenn jemand gerne einen lila Kletterturm aus Plüsch für seine Katze haben möchte, dann bitte gerne.

Und wann und warum macht es Sinn, einen Profi für die Inneneinrichtung zu beauftragen?

Es macht Sinn, wenn man in einem Haus oder einem anderen Projekt eine gewisse Stimmung schaffen möchte und sich nicht sicher ist, wie man dahin gelangt. Dann ist es gut, sich mit Menschen darüber zu unterhalten und auszutauschen, die in diesem Gebiet Erfahrung mitbringen. Es macht auch Sinn, die Verantwortung ein bisschen abzugeben und sich überraschen zu lassen von Sachen, in die man sich verliebt, ohne zuvor gewusst zu haben, dass es sie überhaupt gibt. Ausserdem sehen zwei Augenpaare einfach mehr als ein Augenpaar. Es ist beim Interior Design wie überall im Leben: Gespräche und Austausch führen immer zu besseren Ideen.

«Ich träume davon, dass die Traube ein bisschen wild wird.»

Am Anfang unseres Gesprächs habe ich dich gefragt «was» du bist. Jetzt würde ich dich gerne fragen «wer» du bist. Nehmen wir an, wir lernen uns an der Traube-Bar bei einem Gin Tonic kennen… Was erzählst du mir über dich?

Ich liebe Gin Tonic und ich liebe Gespräche an einer Bar mit Menschen, die ich nicht kenne (lacht). Die Frage ist also ganz wunderbar. Ich bin die Tochter einer Deutschen und eines Schweizers, habe fünfzig Jahre lang in Dänemark gelebt und lebe jetzt in Vals, wo ich zusammen mit meinem Mann Thomas, der leider dieses Jahr an seiner Krebserkrankung gestorben ist, unsere Pension nach unseren Wünschen und Vorstellungen aufgebaut habe. Nun bin ich mich am Neuorientieren, denn wir sind nicht mehr zu zweit. Ich bin jetzt alleine. Ich bin supergerne in der Natur, ich backe supergerne, ich stricke, lese, tanze zu lauter Musik. Ich liebe Menschen, bin sehr offen und neugierig, gehe gerne aus. Zu meinen Grundwerten gehört sicher auch ein gesunder Lebensstil. Mit gesund meine ich auch die Beauty. Das heisst, ich habe hohe Ansprüche an mein eigenes Wohlbefinden und lege viel Wert darauf, dass es mir in meiner Haut in jeder Hinsicht gut geht.

In Vals habt Thomas und du euch einen Traum erfüllt. Wie nahe seid ihr diesem Traum in der Realität gekommen?

Mit der Brücke haben wir uns zu hundert Prozent unsere Welt erschaffen. Jeden Morgen, wenn ich zur Türe reingehe, denke ich mir: Gosh, ist das schön! Unsere Pension ermöglicht mir alles: Ich lerne die tollsten Menschen kennen, mit denen ich crazy Gespräche führen kann. Ich kann sie jeden Tag mit einem fantastischen Frühstück verwöhnen. Ich teile mit ihnen ein Haus. Ich kann sagen, da sind wirklich Traum und Realität miteinander verschmolzen.

Wie schön! Und was sind deine Träume für die Traube?

Für die Traube wünsche ich mir von Herzen, dass sie ein warmer Begegnungsort für die Buchserinnen und Buchser und überhaupt alle Gäste wird. Ich wünsche mir, dass sie sich dort zuhause fühlen und inspiriert werden und ein bisschen Schönheit mit nach Hause nehmen, indem sie sich vielleicht erinnern an ein hübsches Detail, welches sie da und dort entdeckt haben. Und natürlich wünsche ich mir, dass es ein Ort wird, der lebt – wo man lacht und flirtet und diskutiert und sich kennenlernt. Ich träume davon, dass die Traube ein bisschen wild wird (lacht).

Das ist doch ein schönes Schlusswort. Vielen Dank Ruth für das inspirierende Gespräch.

 

Interview: Doris Büchel
Fotos: Roland Lichtensteiger

Tabula Rasa

Was machst du am Morgen zuerst? Lüften und Tee kochen. Welche wichtigste Eigenschaft muss eine Crew mitbringen? Dass sie in einer Krisensituation über sich hinauswachsen kann. Was ist Chefsache? Vertrauen und Transparenz schaffen. Wann hast du gewusst: Das ist mein Stil? Ich hab immer schon den légèren Komfort der hautengen Sexiness vorgezogen und gut geschnittene Kleidung, oft auch Männersachen gekauft. Ich glaube, ich habe meinen individuellen Stil schon ganz früh entdeckt. Du musst dich von allen Möbelstücken trennen, bis auf eines. Welches behältst du? Meinen Papa Bear Stuhl.

 

Warum? Weil du so schön und gut aufgehoben darin sitzen kannst. Der Papa Bear tut einfach gut. Welches Objekt bewunderst du aufgrund des Stils? Ich liebe das Beyeler Museum in Basel. Die grösste Inspiration war für mich, in einem Peter Zumthor Haus wohnen zu dürfen. Mit wem würdest du gerne einmal in der Traube einen Gin Tonic trinken? Jackie Onassis Kennedy. Was würdest du sie fragen? Wie man als Frau ein Leben meistert zwischen so markanten Männern.