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HINTER DIESEN TÜREN BEGINNT EINE ANDERE WELT

Küchenchef Michal Klimek und Sous-Chef Christian Gick über die Faszination Brotbacken, den Hype um Kochshows und darüber, warum sie Nahrungsmittel nach dem Konzept Nose to Tail verwerten. Und ein paar andere wichtige Dinge.

Auf den allerersten Blick könnte man meinen, die zwei seien Brüder. In der Postur, im in sich ruhenden Gemüt, im Schalk, ja selbst in der Gesichtsbehaarungen gleichen sie einander. Erst als sie anfangen zu erzählen, zeigt sich ein Unterschied: Küchenchef Michal Klimek (38) stammt ursprünglich aus der Slowakei, das Gespräch führen wir deshalb auf Englisch. Sous-Chef Christian Gick (28) wuchs in der Innerschweiz auf. Seit einem Jahr arbeiten die beiden zusammen und tragen mit ihrer engagierten, motivierten und lustigen Art nicht nur sehr wesentlich zum kulinarischen Genuss im Gasthaus Traube bei, sondern auch zum Ambiente innerhalb der ganzen Traube-Crew. Wir treffen uns an einem milden Montagnachmittag im Wohnzimmer, bevor die ersten Gäste für das Abendessen eintreffen.

Doris Büchel: Michal und Christian, schön, dass ihr euch Zeit nehmt. Was steht heute noch auf dem Programm?
Michal Klimek: Heute ist Montag und somit der Tag vor unseren zwei Ruhetagen. Das heisst, wir beenden den Abend mit einer gründlichen Putzrunde. Je nachdem, wie lange der Service dauert, starten wir damit ungefähr um 21 Uhr und sind nach rund eineinhalb Stunden fertig. Selbstverständlich putzen wir jeden Abend, aber montags wird noch gründlicher gereinigt. Christian kontrolliert und organisiert ausserdem den Kühlschrank und Trockenraum, sodass wir am Donnerstag frisch durchstarten können.

Ein gutes Stichwort. Beschreibt ihr mir bitte die Zusammenarbeit zwischen Küchenchef und Sous-Chef? Wer macht was?
MK: Meine Hauptaufgabe ist natürlich das Kochen und das Kreieren der neuen Gerichte. Ich muss mich aber auch jederzeit rausnehmen und einen Schritt zurücktreten können, um die Übersicht über alle Stationen und Mitarbeitenden zu haben. Schliesslich liegt die Verantwortung dafür, was in der Küche passiert und welche Gerichte wie beim Gast ankommen, bei mir. Christian ist meine rechte Hand. Er ist sehr wichtig für mich – nicht nur aufgrund der Sprache. Seit einem Jahr arbeiten wir reibungslos zusammen. Ich möchte nichts daran ändern, es ist top!

Christian Gick: Mein Job sind – abgesehen davon, dass ich Michal beim Kochen assistiere – vor allem das ganze Bestellwesen und die Organisation. Auch die Ordnung im Kühlschrank und Trockenlager gehört in meinen Bereich. Ich habe jederzeit den Überblick über die Nahrungsmittel und muss vorausdenken … Besonders dann, wenn wir Reservationen für Bankette und grössere Gruppen haben. Ich bin auch das Bindeglied zwischen Michal und Marco (Planitzer, Anm.), unserem Geschäftsführer. Ich arbeite sehr gerne mit Michal zusammen.

Michal, beschreibe mir Christian in wenigen Worten.
MK: Er hat ein gutes und grosses Herz. Er erledigt seinen Job jederzeit mit vollem Einsatz, als wäre die Traube sein eigenes Restaurant. Er kalkuliert grossartig und hat unser Budget jederzeit im Griff. Ich vertraue ihm einhundert Prozent. Ich mag ihn sehr – privat wie beruflich!

Und du Christian, was kannst du uns über Michal verraten?
CG: Ich kann das alles nur zurückgeben. Michal ist ein super Teamplayer. Er ist sehr kreativ und hat viele Ideen. Wenn wir Neues ausprobieren, ist er sehr ehrgeizig und lässt nicht locker, bis alles perfekt stimmt. Er ist ein Leader, aber einer, der sich selbst nicht in den Vordergrund stellt. Er schaut auf sein Team. Und er steht auch selbst einmal zurück, vielleicht, weil jemand von uns einen freien Tag braucht. Es ist immer lustig mit ihm. Okay, nicht immer, aber meistens (lacht).

«Was irgendwie machbar ist, stellen wir selbst her. Wirklich alles!»

Könnt ihr mir mehr über eure Philosophie beim Kochen verraten? Nach welchen Grundsätzen handelt ihr? Wie hebt ihr euch von anderen ab?
MK: Was irgendwie machbar ist, stellen wir selbst her. Wirklich alles! Momentan testen wir unsere hauseigenen «Gipfeli», damit wir bereit sind, wenn das Boutique-Hotel eröffnet. Wir sind auf gutem Weg, geben uns aber erst zufrieden, wenn sie genauso sind, wie wir sie haben wollen. Wir backen auch unser Brot selbst, machen unsere Wurst selbst, unser Trockenfleisch … Einfach alles! Ich glaube, es gibt nicht viele Restaurants in der Umgebung, die so sind wie wir.

In den Genuss dieser feinen hausgemachten Brote bin ich auch schon gekommen. Erzählt mir bitte mehr davon.
MK: Auf unser Brot bin ich wirklich stolz. Wir investieren viel Zeit und Herzblut in die Rezepturen und die Herstellung. Und wir machen es als Team, das heisst, jeder bringt seine Ideen und Erfahrungen ein. Momentan haben wir mehr als zwanzig Brote im Angebot. Etwa die Hälfte davon konnten wir bereits perfektionieren. Am Rest arbeiten wir noch. Das heisst: Mit dem Geschmack sind wir zufrieden, am «Look» pröbeln wir weiter herum. Unsere Ansprüche an uns sind sehr hoch (lacht).

CG: Jeder von uns probiert alles, wir reden darüber, was wem gefällt oder nicht und kommen so gemeinsam zu einem Ergebnis. Alles ist Teamwork.

Apropos Teamwork: Wie viele Personen aus wie vielen Nationen arbeiten in der Küche zusammen? Und wo liegen die Vorteile dieses Multikulti-Teams?
MK: In unserer Küche arbeiten acht Personen aus sieben Ländern: Italien, Slowakei, Sri Lanka, Deutschland, Schweiz, Afghanistan und Liechtenstein. Wir alle kennen unsere Rollen und wissen genau, was wann zu tun ist. Das ermöglicht auch in sehr hektischen Momenten ein organisiertes und strukturiertes Kochen. Mehr noch: Je hektischer es wird, desto mehr realisiere ich, was für ein eingespieltes Team wir mittlerweile sind. So bleibt immer auch ein bisschen Zeit für Scherze und Lachen. Natürlich gibt es auch Probleme. Schliesslich haben wir alle unsere Stärken und Schwächen und bringen unsere Charaktere mit. Aber wie gesagt: Wir sind ein Team und finden gemeinsam eine Lösung. Wir helfen und unterstützen einander.

CG: Viele kleine Dinge ergeben zusammen ein grosses. Gerade weil wir ein internationales Team sind, kann jeder von den individuellen Erfahrungen des anderen profitieren.

Vielen Dank für diesen Einblick. Ein anderes Thema, das mich interessiert: Kochsendungen! Netflix ist voll davon. Köche werden wie Rockstars gehypt. Wie erklärt ihr euch die Faszination für euren Beruf?
MK: Komm einmal für eine Woche zu uns in die Küche und mach dir selbst ein Bild davon (lacht). Hinter diesen Türen beginnt eine andere Welt. Es ist sehr, sehr stressig. Sehr, sehr hektisch. Wenn du damit nicht umgehen kannst, geht es nicht. Du musst körperlich und mental stark sein, um auf die Dauer bestehen zu können. Gleichzeitig musst du lieben, was du tust. Du musst die Produkte lieben, das Handwerk, die Details. Kochen ist sehr kreativ, auch sinnlich. Vielleicht ist es dieser Mix, der die Menschen fasziniert.

Ist das Bild des cholerischen Chefkochs, der seine Leute zusammenstaucht, überhaupt noch zeitgemäss?
CG: Das kann ich so nicht sagen. Ich weiss nur: Michal bleibt fast immer ruhig. Klar gibt es zwischendurch Situationen, wo er kurz laut wird. Aber das sind Ausnahmen. Wenn Fehler passieren, sucht er das Gespräch eher im Privaten und in Ruhe.

Das freut mich zu hören! Andere Frage: Wie kreiert ihr neue Gerichte? Was inspiriert euch?
CG: In erster Linie inspirieren uns die saisonalen und regionalen Produkte, die uns frisch geliefert werden. Gerade heute hatten wir ein Meeting mit Manuela, unserer Lieferantin vom Hof Morgarot. Sie fragte, was wir brauchen. Wir antworteten: «Alles! Alles, was momentan wächst!» Egal was sie uns liefern wird, wir werden es auf irgendeine Art und Weise verwerten. Uns wird etwas einfallen. Denn: Wenn die Produkte vor uns auf der Arbeitsplatte liegen, fängt es im Kopf an zu rattern. Das macht es wahnsinnig spannend. Natürlich sind unsere Augen und Ohren immer offen: Wir sehen etwas im Internet oder auf Instagram und gehen aus- wärts essen – all das inspiriert uns. Mich persönlich fasziniert seit einem Jahr das Thema Brot. Zusammen mit meiner Freundin züchte ich daheim Sauerteig und experimentiere herum. Ich sauge alles auf, was mir zu diesem Thema unter die Finger kommt (lacht). Michal geht es übrigens ähnlich …

MK: Mich inspiriert in erster Linie das Produkt. Ob Fleisch, Fisch, Gemüse, Salat … Egal! Bei mir dreht sich alles um das Thema Essen und darum, wie ich die verschiedenen Produkte kombinieren kann. Meine Frau verdreht schon manchmal die Augen deswegen (lacht).

«In erster Linie inspirieren uns die saisonalen und regionalen Produkte, die uns frisch geliefert werden.»

Wenn wir vom Kochen reden: Wie viel davon ist Handwerk, wie viel Passion?
CG: Ohne Leidenschaft geht es definitiv nicht!

MK: Diesen Sommer hatten wir einen Schnupperstift in der Küche. Wir versuchten ihm zu erklären, was wir machen. Dabei realisierten wir, wie viel von unserem Handwerk für uns selbstverständlich geworden ist. Unsere Arbeit wieder einmal auf die Basics herunterzubrechen war sehr interessant und lustig für uns. Wir realisierten: Mit dem Kochen ist es wie mit dem Velofahren. Wenn du es einmal beherrschst, verlernst du es nicht mehr. Aber bis du es beherrschst … Das ist ein anderes Thema.

Gerne möchte ich zum Schluss noch die Gelegenheit nutzen und euch ein bisschen besser kennenlernen. Christian: Wer bist du? Woher kommst du?
CG: Meine Grosseltern führten ein Restaurant – das «Seebeizli am Urnersee» –, welches meine Eltern vor ungefähr zehn Jahren übernommen haben. Sie betreiben es jedoch nur nebenbei, als Hobby, an den Wochenenden und Feiertagen. Das heisst, ich bin in der Gastronomie grossgeworden. Meine Kochlehre absolvierte ich in einem Altersheim. Auf den Militärdienst folgten eine Sommersaison auf der Insel Schwanau im Lauerzersee, zwei Jahre im Seehotel Waldstätterhof in Brunnen und acht Monate Sprach- und Arbeitsaufenthalt in Kanada, in der Nähe von Toronto. Nach meiner Rückkehr ging ich nach Luzern und sammelte meine ersten Erfahrungen als Chef de Partie im Hotel «Wilder Mann». Und jetzt bin ich hier, in der Traube, und wohne in Rebstein. Ach ja, dazwischen absolvierte ich noch eine einjährige Ausbildung zum Diätkoch, was sehr spannend war. Das Thema wird immer wichtiger, weil es immer mehr Menschen mit Allergien und besonderen Bedürfnissen gibt. Kurz gesagt: Ich wollte nie etwas anderes als ein Koch sein.

Michal, wer bist du? Woher kommst du?
MK: Ich lebe mit meiner Frau und unserer Tochter in Heerbrugg. Meine Heimat ist die Stadt Bardejov in der Slowakei. Es ist eine sehr schöne Stadt – der Stadtkern gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Mein Vater war Baumeister, also wollte ich ursprünglich auch in dieses Berufsfeld einsteigen. Aber er war dagegen. Als mein bester Freund eine Kochlehre absolvierte, wählte ich auch diesen Weg. Nebst der Schule absolvierte ich verschiedene kurze Praktika in kleinen Restaurants und Motels in der Slowakei. Dabei muss man wissen, dass sich das Schulsystem in der Slowakei von dem in der Schweiz stark unterscheidet.

Jedenfalls wusste ich nach dem Abschluss der Schule so gut wie nichts über das Kochen. Ich folgte dann aber einem weiteren Freund nach England, wo ich in einem sehr noblen Viersterne-Hotel kochte. Mein Chef dort war sehr, sehr streng, aber er hat mir sehr, sehr viel beigebracht. Ich bin ihm heute noch dankbar dafür. Danach habe ich in verschiedenen sehr schönen Hotels in England und der Slowakei gearbeitet und dabei ebenfalls eine harte Schule durchlaufen. Dabei habe ich nicht nur sehr viel über das Kochen gelernt, sondern auch über das Kalkulieren, Budgetieren und all diese Dinge. Das Wichtigste aber war: Ich lernte, die Produkte von A bis Z – nach dem Prinzip «Nose to Tail» – zu verwerten. So mache ich es heute noch, und zwar mit allen Produkten. Für mich ist das sehr, sehr wichtig. Es geht dabei auch um Respekt dem Tier und überhaupt dem Nahrungsmittel gegenüber. So nahm meine Kochkarriere ihren Lauf.

Und wie bist du in der Schweiz, in Buchs gelandet?
MK: In die Schweiz kam ich ebenfalls durch die Vermittlung von guten Freunden. Vier von ihnen arbeiten im Raum Zürich in der Gastronomie. Bei einem privaten Treffen stiess die Partnerin eines Freundes zufällig auf die Stellenausschreibung der Traube. Ich meldete mich und durfte mich kurz darauf persönlich vorstellen. Und voilà … Hier bin ich. Dies auch dank meiner Frau, die sofort sagte, dass sie mich in die Schweiz begleiten würde.

Vielen Dank für diesen Einblick und das interessante Gespräch.

Tabula Rasa

Welches Wort/Welchen Satz verwendet ihr in der Küche am häufigsten? MK: Sensationell! CG: Dies und das eine, nicht-jugendfreie Wort, welches wir ausschliesslich in der Küche sagen … Aber wenn, dann nur im Scherz (lacht)! Welche drei Gegenstände/Hilfsmittel, dürfen in keiner privaten Küche fehlen: MK und CG: Ein gutes Messer, eine gute Pfanne und ein funktionstüchtiger Herd. Welches ist eure ausgeprägteste Eigenschaft? CG: Mein Organisationstalent. MK: Dass ich Chancen erkenne und ergreife. Was steht immer in eurem Kühlschrank? CG: Eier! MK: Milch! Wenn ihr einen Wunsch an eure Gäste hättet … Welcher wäre es? MK: Dass sie verstehen, wie stressreich unsere Arbeit sein kann. CG: Und dass es gute Gründe gibt, weshalb wir unsere Menüs so zusammenstellen, wie wir sie zusammenstellen.

 

Welches gastronomische Erlebnis möchtet ihr unbedingt einmal erleben? MK: Ich würde gerne einmal zusammen mit dem britischen Starkoch Gordon Ramsey kochen. Das wärs! CG: Ich würde gerne mal dem Patissier Amaury Guichon über die Schultern schauen und ein paar Tipps über Schokolade erfahren. Für wen würdet ihr gerne einmal kochen in der Traube? CG: Für die beiden amerikanischen Brotback-Ikonen Chad Robertson und Noah Bedard. MK: Für meine Grossmutter, sie ist leider bereits verstorben. Was würdet ihr sie/ihn fragen? CG: Wie sie unser Brot finden und was für Tipps sie für uns haben. MK: Ob sie stolz auf mich ist.