Buchen

HINTER DEN KULISSEN VON «DESIGN HOTELS»

Alba Biedermann sucht für «Design Hotels» weltweit nach einzigartigen Hotels, die kulturell und lokal verwurzelt sind. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen und Schönheiten ihrer Arbeit und erklärt, warum oft gerade das Unkonventionelle in ihr Portfolio passt.

 

von Doris Büchel

Ein Montagmorgen im August, Zoom-Call. Alba Biedermann strahlt von ihrer Basis Berlin aus in die Kamera und lacht, als ich sie nach der Bedeutung ihrer Jobbezeichnung frage. Man spürt sofort ihre Leidenschaft für den Beruf, für den sie sich jenseits der konventionellen Pfade bewegt.

 

Liebe Alba, du bist Senior Global Director Brand Portfolio bei «Design Hotels». Entschuldigung die plumpe Frage, aber: Was genau bedeutet das? AB: Kein Problem, das ist eine gute Frage. Grundsätzlich ist das Brand-Portfolio-Team der «Gatekeeper» des Design Hotels-Portfolios – wir sind verantwortlich dafür, weltweit Hotels zu finden, die unseren hohen Ansprüchen gerecht werden. Mit anderen Worten, ein grosser Teil meiner Arbeit besteht darin, neue Mitgliederhotels zu identifizieren und Partnerschaften aufzubauen. Ein weiterer wichtiger Teil meiner Rolle ist sicherzustellen, dass unsere globalen Teams ein starkes Verständnis für unsere Markenwerte und Charakteristika weltweit haben. So stellen wir sicher, dass unser Portfolio in einer Weise wächst, die mit unserer Kernidentität – unabhängige Hotels, die in Design, Lokalität und Kultur verwurzelt sind – übereinstimmt.

 

Wie gehst du vor? Ich meine: Wie findet ihr neue Member-Hotels?
AB: Unsere Fühler sind immer nach neuen, einzigartigen Projekten ausgestreckt – das ist Teil unserer DNA. Unser Netzwerk aus Designern, Architekten, Agenturen und Freunden der Marke ist eine wertvolle Quelle für die Entwicklung. Wann immer wir zu einem Ziel reisen, verbinden wir uns mit diesen lokalen «Placemakers», um von potenziellen neuen Projekten zu erfahren. Die wertvollste Wachstumsquelle kommt jedoch aus unserer bestehenden Gemeinschaft. Dies ist eine wunderbare Art zu wachsen, da bereits eine Beziehung aufgebaut wurde, die Synergien vorhanden sind und man weiterhin gemeinsam wächst und sich entwickelt. Ein Beispiel dafür wäre «Grupo Habita» in Mexiko. Die Gründer, ein ehemaliger Zitrusfarmer und ein Investmentbanker, beschlossen vor über zwanzig Jahren, gemeinsam ein Hotel zu eröffnen. Heute besitzen sie vierzehn Hotels, die alle Mitglieder von Design Hotels sind.

Wir arbeiten fast ausschliesslich mit unabhängigen Hoteliers, wie Kathrin und Ivan Schertler Secli. Viele unserer Hoteliers stammen nicht aus der traditionellen Hotelbranche, aber ihre unglaubliche Leidenschaft und ihre einzigartigen Geschichten verbinden sie mit unserer Gemeinschaft.

 

Wie erklärst du dir, dass gerade nicht die eingefleischten Hoteliers diejenigen sind, die es als Member-Hotel zu «Design Hotels» schaffen? AB: Wir suchen immer das Unkonventionelle und konzentrieren uns auf Elemente mit kultureller und lokaler Bedeutung. Wenn jemand sich persönlich in ein Hotel einbringt, bringt das ein einzigartiges Mass an Engagement und Liebe zum Detail mit sich. Es ist wahrscheinlich, dass es weniger Kompromissbereitschaft gibt, wenn es sich um die persönliche Schöpfung und Vision handelt. Und: Erst-Hoteliers bringen oft eine gewisse Naivität mit, die es ihnen ermöglicht, Grenzen zu überschreiten und das Gastgewerbe aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Du sagtest, dass pro Jahr bis zu 400 Bewerbungen bei euch landen. Erinnerst du dich, was bei der Bewerbung der Traube den Ausschlag gab, dass ihr dieser die Chance gegeben habt? AB: Ich erinnere mich gut. Mein Kollege Flurin und ich haben uns die Bewerbung gemeinsam angesehen und sofort gedacht: Hmm, interessanter Ort – nicht Genf, Zürich oder Zermatt. Auf der Website haben wir schnell bemerkt, dass hier jemand eine Geschichte erzählt. Besonders beeindruckt hat uns, dass die Zimmer komplett in Holz getäfelt waren. Das sieht man nicht oft, und es weckte unsere Neugier. Bald war klar, dass wir die Traube vor Ort besuchen wollten.

 

Wie kann ich mir das vorstellen ... findet so ein erster Besuch «top secret» statt? AB: Wir machen kein Mystery-Shopping(lacht), da unser Ziel ist, eine Verbindung zu den Menschen hinter einem Ort herzustellen und mehr über ihre Geschichte und ihre Vision zu erfahren. Flurin arrangierte ein Treffen mit Kathrin und Ivan, und sie verbrachten den Tag zusammen. Als er zurückkam, war uns beiden klar: Okay, das machen wir! Natürlich ist es für uns als Schweizer besonders spannend, neue und einzigartige Orte wie das Gasthaus Traube zu entdecken. Sag, hast du noch Freunde? AB: Ich habe viele Freunde ... vor allem, seit ich bei Design Hotels arbeite (lacht). Für mich ist es der Traumjob! Aber: Man hat keine Routine. Und man muss damit klarkommen, dass man nicht zu seiner bevorzugten Zeit ins Bett geht, kein morgendliches Ritual pflegen kann und sich nicht für einen Töpfer- oder Sportkurs anmelden kann, weil man ständig unterwegs ist. Man muss das wollen. Unser Hauptsitz ist in Berlin, das ist meine Basis. Ursprünglich komme ich aus Bern. Wenn ich in der Schweiz bin, haben Familie und Freunde absolute Priorität. Und zum Glück gibt es Sprachnachrichten, WhatsApp, viele Möglichkeiten, in Kontakt zu bleiben.

 

Nimmst du mich mit in eine deiner typisch untypischen Arbeitswochen? AB: Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit besteht darin, «en route» zu sein. Diese Tage beginnen normalerweise früh mit einer Taxifahrt zum Flughafen, wo ich meine ersten E-Mails beantworte. Das Flugzeug ist eine gute Zeit, um an strategischen Themen zu arbeiten – man ist in einer Art Blase, und das schafft Raum zum Nachdenken. Oft werden wir von den Hoteliers abgeholt oder fahren selbst zur Location. Ich besuche normalerweise neue Hotels, von denen einige noch im Bau sind. Das bedeutet, dass ich oft einen Bauhelm trage und die Baustellen mit einem Architekten und/oder Designer besichtige.

Wenn das Hotel bereits geöffnet ist, kombinieren wir die Treffen oft mit einem Mittag- oder Abendessen vor Ort. Auch die Hoteliers möchten die Tiefe und den Umfang eines Projekts zeigen und geben uns oft einen grossartigen Zugang zur Destination. Das bedeutet, dass wir möglicherweise auch ein cooles Café, eine Buchhandlung um die Ecke oder Partner des Hotels besuchen. Die Hoteliers sind grossartige Türöffner zur lokalen Kultur und helfen dabei, eine Destination zu verstehen. Natürlich variiert ein Treffen mit einem potenziellen neuen Mitglied je nach Region. In Griechenland zum Beispiel passiert alles während der Mahlzeiten, sodass man normalerweise später ins Bett geht. In der Schweiz hingegen ist alles etwas formeller. Es ist sehr kulturabhängig. So oder so – am Ende eines langen Tages fällt man normalerweise todmüde, aber total inspiriert ins Bett. Dann schreibt man noch ein paar E-Mails und führt vielleicht noch ein paar Anrufe. Man muss in meinem Job definitiv flexibel sein und damit umgehen können, dass Dinge manchmal nicht nach Plan laufen. Ich habe sicherlich keinen 9-to-5-Job.

Magst du mir ein Beispiel nennen? AB: Gerne! Vor einigen Jahren besuchte ich das «Casa de São Lourenço», ein Hotel etwa drei Stunden ausserhalb von Porto, abgelegen in den Bergen. Zum Zeitpunkt der Site-Inspection war das Hotel bereits eröffnet, sodass ich die Möglichkeit hatte, den Ort aus erster Hand zu erleben und dort zu übernachten. Für die Besitzerin Isabel Costa war es wichtig, mir nicht nur das Hotel zu zeigen, sondern auch die Region und die Vision, die sie und ihr Ehemann João Tomás für das Gebiet haben. Am nächsten Morgen brachte sie mich zu einer Textilfabrik im Nachbardorf, die sie zusammen mit der lokalen Gemeinschaft wiederbelebt hatten. Die dort produzierten Decken und Überwürfe werden nicht nur im Hotel verwendet, sondern jetzt auch in Lissabon und Porto verkauft.

 

«Wir suchen immer das Unkonventionelle und konzentrieren uns auf Elemente mit kultureller und lokaler Bedeutung. Wenn jemand sich persönlich in ein Hotel einbringt, bringt das ein einzigartiges Mass an Engagement und Liebe zum Detail mit sich.»

Wie bist du zu deinem Beruf gekommen? Gab es einen Plan, oder hättest du vor fünf oder zehn Jahren nicht gedacht, dass du einmal in dieser Branche landen würdest? AB: Ich war schon immer zur Welt der Kunst und des Designs hingezogen und habe Praktika bei einer Dekorateurin und einer Schneiderin gemacht. Und dann war es eher ein Zufall, dass mich eine gute Freundin auf die École Hôtelière de Lausanne aufmerksam machte. Und da ich ein Mensch bin, der gerne mit Menschen zusammen ist, mehrere Sprachen spricht und neugierig auf die Welt ist, schrieb ich mich schliesslich für den Hospitality-Kurs ein.

Aber die Kreativität hat mich nie losgelassen. Es war klar, dass ich etwas innerhalb der Hotellerie finden musste, das ausserhalb der traditionellen Ketten- und Franchise-Welt liegt. So entdeckte ich «Design Hotels», wo ich 2010 ein Praktikum machte – meine Verbindung zu diesem Unternehmen ist seitdem geblieben. Ich machte jedoch einen Umweg, bevor ich zu Design Hotels zurückkehrte – nach meinem Abschluss entschied ich mich, nach London zu ziehen, wo ich einen Master in Luxury-Brand-Management machte und sechs Jahre für ein Tech-Start-up im Influencer-Marketing-Bereich arbeitete, damals noch ein relativ neues Marketing-Tool für Modemarken in Europa. Schliesslich zog ich nach Berlin, um den DACH-Markt zu erweitern, und stiess immer wieder auf ehemalige Kollegen von Design Hotels. Gerade als ich darüber nachdachte, mein Studium in Innenarchitektur zu beginnen, erhielt ich ein Jobangebot von ihnen. Ich erinnere mich genau an die Intensität meines Bauchgefühls, als der Anruf kam – ein echter Sliding-Door-Moment. Und so kehrte ich in die Hotellerie zurück. Für mich eine der schönsten Branchen, in denen man arbeiten kann. Eine Welt des Erlebnisschaffens, des Genusses und der Verbindung mit Menschen, Kulturen und der Natur.

MEMBER OF DESIGN HOTELS

Seit September 2024 gehören auch wir zur Kollektion unabhängiger und design-orientierter Hotels. Was für eine Ehre!

Was bedeutet Schönheit für dich? Ich war schon immer sehr empfänglich und aufmerksam gegenüber meiner Umgebung. Ich glaube, dass jeder Schönheit wahrnimmt, manche bewusster als andere. Und Schönheit hat viele Formen und Gestalten und kann für einen einzigen Augenblick erscheinen – es ist eine Frage des Erfassens und Wertschätzens: Während wir sprechen, blicke ich aus dem Fenster und sehe, wie die Blätter des Baumes vor meinem Haus im Wind tanzen und die Abendsonne diese Blätter in ein goldenes, schimmerndes Schauspiel verwandelt ... Das sind kleine Momente der Schönheit. Ich nenne solche Momente gerne «Streiflichter des Glücks» ... Genau, das sind diese «moments of awe» ... Oft sind es die kleinen Dinge.

Seit 30 Jahren ist Design Hotels Vorreiter in der Reisebranche und bietet eine kuratierte Auswahl von über 300 unabhängigen Hotels in mehr als 60 Ländern. Von kulturellen Hotspots in lebhaften Städten bis hin zu charmanten Rückzugsorten abseits der ausgetretenen Pfade spiegelt jedes Hotel die Vision eines leidenschaftlichen Hoteliers wider – eines «Originals» mit einer Leidenschaft für wahre Gastfreundschaft, kulturelle Authentizität, durchdachtes Design und inspirierende Architektur. Design Hotels ist mehr als nur eine Sammlung von Hotels; es bietet seinen zukunftsorientierten Mitgliedshotels aufschlussreiche Expertise aus dem Reisesektor – von Trendvorhersagen über kreatives Consulting bis hin zu PR, Marketing und globalen Sales Vertretungen. Mit Hauptsitz in Berlin und Büros in London, Los Angeles, New York und Singapur ging Design Hotels 2019 eine Partnerschaft mit Marriott Bonvoy ein, um den Mitgliedshotels eine grössere und exklusivere Reichweite zu ermöglichen und der Community die Vorteile des führenden Treueprogramms im Hotelsektor zu bieten.
www.designhotels.com

Was braucht es neben Design und Schönheit, um als Member-Hotel erfolgreich zu sein? Ich denke, Inklusion und Interaktion sind wichtig. Ein Hotel sollte nicht isoliert wie ein Fremdkörper dastehen. Es sollte seine Türen öffnen, lokale Partnerschaften eingehen und relevante Kooperationen suchen, sei es durch Künstlerresidenzen, die Zusammenarbeit mit Lieferanten aus der Region oder indem das Restaurant für Einheimische zugänglich ist. Das ist letztlich sowohl für die Gäste als auch für die Einheimischen wertvoll.

Gibt es einen Ort in der «Traube», der dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Ja! Im Restaurant, direkt neben der Bar, gibt es einen sehr schicken, massgefertigten Trinkbrunnen in der Ecke. Auch der einzigartige Steintisch im Weinkeller ist ein besonderes Stück. Und der Mosaik-Steinboden, der sein Muster und seine Farbkombination ändert, wenn er in den Garten führt...

Lass uns die Welt der Traube kurz verlassen. Wenn du privat reist, entscheidest du dich auch für Design Hotels? Wenn ich privat reise, geniesse ich eine Mischung aus Mitgliedshotels von Design Hotels und alternativen Unterkünften. Kürzlich war ich auf einer mehrtägigen Wanderung im Engadin und habe in SAC-Hütten übernachtet. Es war fantastisch, obwohl die Lichter um 22 Uhr ausgingen und ich in einem Schlafsack im Massenschlag schlief. Dieser Kontrast zu meinen beruflichen Erfahrungen ist sehr erfrischend. Ich geniesse die Kombination aus beidem.

Vielen Dank für das schöne Gespräch und den faszinierenden Einblick in deinen Alltag.