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Ein Glas Leidenschaft

Ein Gespräch mit Weinprofi Amanda Wassmer-Bulgin, auch über den anspruchsvollen Weg zum prestigeträchtigen Titel «Master of Wine».

 

von Doris Büchel

Wein ist mehr als nur ein Getränk – es ist ein Kulturgut, das Geschichte, Handwerk und Leidenschaft in sich vereint. Doch was macht die Faszination für Wein wirklich aus? Und wie lässt sich bewusster Genuss mit Verantwortung verbinden? Amanda Wassmer-Bulgin, die sich derzeit auf dem anspruchsvollen Weg zum «Master of Wine» befindet, erzählt im Interview, warum Wein für sie eine Herzensangelegenheit ist und was sie auf ihrem Weg antreibt.

Amanda, Du lernst jemanden kennen, der nicht weiss, wer du bist und was du machst. Wie stellst du dich vor?
Meistens beginne ich damit, zu sagen, dass ich Mutter von zwei Jungs bin und eine leidenschaftliche Weinliebhaberin. Das sind zwei zentrale Teile meines Lebens.

Du erwähnst nicht gleich, dass du Weinprofi bist?
Nicht unbedingt. Wenn die Leute mehr wissen wollen, erzähle ich auch von meinem beruflichen Werdegang. Dass ich den Weg der Sommelière eingeschlagen habe und jetzt als Wine Director für die Restaurants meines Mannes tätig bin (Sven Wassmer, Drei-Sterne-Koch, «memories» und «verve by sven», Bad Ragaz). Aber meistens hängt das davon ab, wie das Gespräch verläuft.

Und wie reagieren die Weinliebhaberinnen und -liebhaber darauf?
Ich nehme an, das Thema für die nächsten zwei Stunden steht fest (lacht). Oh, absolut! Ich rede so gerne über Wein. Und das Tolle ist: Je mehr ich über Wein weiss, desto mehr wird mir bewusst, wie viel es noch zu lernen gibt. Die Welt des Weins ist riesig und bietet immer wieder Neues und Spannendes.

Wie erklärst du deine Faszination für Wein jemandem, der sich in diesem Gebiet nicht auskennt und vielleicht auch keinen Alkohol trinkt?
Meine Faszination für Wein hat viel mit dem Wunsch zu tun, den Menschen ein besseres Trinkerlebnis zu ermöglichen. Am Anfang war es für mich auch eine persönliche Motivation – ich wollte, dass meine Familie und Freunde besser trinken. «Besser» bedeutet für mich nicht teurer, sondern nachhaltiger. Es geht um den Respekt vor dem Produkt, vor der Natur und vor der Kultur, die dahintersteckt. Wein ist so viel mehr als nur ein alkoholisches Getränk – es ist ein Stück Geschichte, Wissenschaft und Handwerk in einer Flasche. Der Alkohol selbst spielt dabei nur eine minimale Rolle. Wenn der Wein in der Flasche ist, kommen so viele weitere Aspekte hinzu: das Design, die Etikette, die Geschichte des Winzers. Wein ist ein soziales Bindeglied und hat eine grosse Bedeutung für die Gesellschaft.

Du möchtest den Menschen also auch zeigen, dass man nicht einfach «irgendeinen» Wein kaufen oder bestellen sollte?
Genau. Viele denken, Wein sei nur fermentierter Traubensaft, aber in Wirklichkeit stecken oft viele Zusatzstoffe drin. Mein Ziel ist es, dass die Menschen bewusster konsumieren und das beste Produkt für ihr Geld kaufen – ganz gleich, ob sie 20 Franken oder mehr ausgeben wollen. Ich bin der Meinung, man sollte ein Grundwissen über Wein haben, um sich auch im Supermarkt für ein gutes Produkt entscheiden zu können.

Das erinnert mich an das Thema Fleisch. Kaufe ich das billigste Stück, oder informiere ich mich über Herkunft und Qualität und bin ich bereit, etwas weniger zu konsumieren und etwas mehr zu bezahlen?
Genau das ist der Punkt. Ich sehe es als meine Aufgabe, den Menschen zu zeigen, dass sie durch bewusste Kaufentscheidungen nicht nur sich selbst etwas Gutes tun, sondern auch der Natur etwas zurückgeben können. Es gibt in jeder Preisklasse Produkte, die nachhaltig und verantwortungsbewusst hergestellt werden.

Bei Lebensmitteln gibt es Apps, mit denen man den QR-Code scannen und sich über die Inhaltsstoffe informieren kann. Wie kann man sich beim Wein informieren?
Seit Dezember 2023 gibt es eine neue Regelung, dass die Zutaten (oft via QR-Code) auf der Weinetikette transparent gemacht werden müssen – zumindest die wichtigsten. Ich empfehle ausserdem, sich ein oder zwei Lieblingsweinregionen herauszusuchen und sich darüber zu informieren. Man kann sich mit Produzentinnen und Winzern unterhalten, Weingüter besuchen, an Degustationen teilnehmen oder einen Wein-Shop finden, wo es tolles Fachpersonal gibt, das einen gut beraten kann.

Bei sehr günstigen Weinen muss man manchmal kritisch hinterfragen, wie so eine Kalkulation überhaupt möglich ist. Weinbau kostet Geld, und wenn eine Flasche Wein nur sechs Franken kostet, sollte man sich fragen, wie das möglich ist. Es ist wichtig, sich als Konsument dessen bewusst zu sein.

Der Titel «Master of Wine» ist weltweit eine Rarität. Erinnerst du dich an den Moment, als du dich entschieden hast, es zu versuchen?
Ich erinnere mich, dass ich vor etwa zehn Jahren in London zwei, drei Masters kennenlernte, die mich unglaublich fasziniert und inspiriert haben. Damals hatte ich bereits die Ausbildung zur Weinakademikerin, was auch schon eine sehr taffe Nummer war. Ich überlegte, ob ich den Weg des «Master Sommeliers» oder den des «Master of Wine» gehen soll. Ich beschloss, die Aufnahmeprüfung für den «Master of Wine» zu machen. Wenn ich bestehen sollte, würde ich diesen Weg einschlagen. Ich brauche Ziele und Deadlines, so funktioniert mein Gehirn. Ich weiss noch: Als ich erfuhr, dass ich die Aufnahmeprüfung bestanden hatte, war ich gerade im Restaurant, öffnete die E-Mail und fing an zu weinen. Es war ein unglaubliches Gefühl. Die Emotionen haben dich überwältigt… Absolut. Ich leide seit Jahren unter dem Hochstapler-Syndrom. Egal, was ich erreiche, da ist immer dieser innere Kritiker, der mir sagt: «Das war doch Zufall.» Aber als ich den positiven Bescheid schwarz auf weiss sah, war es ein Moment, in dem ich mich wirklich überwältigt fühlte.

Was ist die grösste Herausforderung auf dieser enorm anspruchsvollen Reise?
Die grösste Herausforderung ist es, immer wieder aufzustehen und weiter- zumachen, auch wenn es schwerfällt. Der «Master of Wine» ist extrem an- spruchsvoll, und es ist nicht einfach, Kritik zu bekommen und dann trotzdem weiterzumachen. Nach negativem Feedback, das es durchaus gibt, wäre es leichter, alles hinzuwerfen wie ein trotziges Kind. Aber ich bleibe dran, auch wenn es hart ist. Dazu kommt, dass mein Mann und ich zwei kleine Kinder haben – die ganze Familie muss Abstriche machen. Es ist nicht nur eine geistige, sondern auch eine emotionale Herausforderung. Ich investiere phasenweise viel, auch in Sport und Coachings, um mental und körperlich fit dafür zu sein.

Was würdest du als deine ganz besondere Stärke bezeichnen?
Meine Stärke liegt darin, Wissen zu vermitteln, und zwar so, dass mich jeder versteht. «Master of Wine» bedeutet auch, gut kommunizieren zu können. Wein ist etwas Wundervolles, und es gibt viel Halbwissen da draussen. Ich sehe es als meine Aufgabe, über Nachhaltigkeit aufzuklären. Wein ist, im Gegensatz zu Lebensmitteln, ein Luxusgut. Deshalb gibt es keinen Grund, Wein zu konsumieren, der nicht nachhaltig produziert wurde.

Welche Trends siehst du in der Weinwelt, die in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen könnten?
Ein spannender Trend ist die Naturwein-Szene, die sich in den letzten zwanzig Jahren stark entwickelt hat. Es ist eine Bewegung gegen die Industrialisierung des Weins und hat einen wichtigen Dialog angestossen. Zudem werden Themen wie Inhaltsstoffe, der Klimawandel und der Rückgang des allgemeinen Alkoholkonsums die Weinwelt in den nächsten Jahren stark prägen.

«Ich wusste einfach, dass die Traube ein Haus ist, das «Wein» versteht. Hier gibt es genügend ähnlich verrückte Weinliebhaber wie mich.»

Welche Weinregionen sind derzeit besonders interessant?
Besonders spannend sind kleinere Weinregionen, die auf alte Rebsorten zurückgreifen. Junge Winzer, die nach ihrem Studium und Auslandserfahrungen in ihre Heimat zurückkehren, bringen eine neue und frische Energie mit. In Nord-Spanien und Griechenland zum Beispiel gibt es viele interessante Entwicklungen – und auch in der Schweiz, besonders im Bündnerland, entstehen hervorragende Weine, die mit den besten in Europa mithalten können.

Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit der Traube?
Wir wohnen in Buchs, und Sabrina Theus, die Sommelière in der Traube, hat früher bei mir gearbeitet. Als Vorbereitung auf die Master-of-Wine-Prüfung setzt man sich intensiv mit alten Prüfungsfragen auseinander. Man testet in der Regel zwölf Weine und schreibt ausführliche Arbeiten dazu, oft über zweieinhalb Stunden pro Session. Dabei geht es um weit mehr als nur um die Frage, was man im Glas schmeckt. Man muss präzise beschreiben können, warum ein Wein auf eine bestimmte Weise hergestellt wurde und woher er stammt – und das detailliert. Zu sagen, «das ist ein Chablis», reicht nicht aus. Man muss in der Lage sein, zehn Seiten darüber zu schreiben, warum dieser Chablis eben ein Chablis ist.

Für die intensive Vorbereitung brauchte ich jemanden, der genau versteht, was die Master-of-Wine-Prüfung verlangt. Sabrina ist sehr talentiert und hat eine feine Nase. Sie war die perfekte Partnerin für mich. Zusätzlich brauchte ich einen Raum, in dem ich mich voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren konnte. Da fragte ich Ivan von der Traube. Mit Secli Weinwelt hatte ich zudem den perfekten Partner an meiner Seite. Ich wusste einfach, dass die Traube ein Haus ist, das «Wein» versteht. Hier gibt es genügend ähnlich verrückte Weinliebhaber wie mich. Niemand hat mich gefragt: «Amanda, warum tust du dir das an?» Stattdessen wurde ich voll unterstützt, und das in einem wunderschönen Umfeld. Dass ich ausgerechnet im Eiskeller der Traube trainieren konnte, zusammen mit Sabrina und teilweise weiteren Studenten, war ein grosser Glücksfall. Ich brauchte einen Ort, an dem ich mich komplett fokussieren konnte, und den fand ich hier, wofür ich absolut dankbar bin.

Welches ist dein Lieblingsstück, dein Lieblingsort in der Traube? Was ist dein persönliches «Nice Thing»?
Ich bin absolut begeistert vom Garten. Ich möchte denselben Gärtner haben wie die Traube (lacht). Ich liebe die Natur und das Natürliche, das in diesem Garten zum Ausdruck kommt. Jedes Mal, wenn ich komme, blüht etwas anderes. Das zeigt den Kreislauf des Lebens: Dinge kommen und gehen.

Und zum Schluss noch dies: Mit wem würdest du gerne einmal in der Traube bei einer guten Flasche Wein zusammensitzen und in Ruhe ein Gespräch führen?
Eigentlich mit Mutti. Sie wohnt in England, also kann ich sie nicht so oft sehen, wie ich es gerne möchte. Sie ist eine sehr inspirierende Frau. Sie hat uns im Alleingang grossgezogen und unsere Träume und Ziele, oder das Fehlen davon, nie ausgelacht. Es gab nie Druck. Das hat es mir ermöglicht, ich selbst zu sein und meinen Träumen zu folgen. Sie ist eine der intelligentesten und neugierigsten Frauen, die ich kenne.

Vielen Dank Amanda für das tolle Gespräch und alles Gute auf deinem weiteren Weg.