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CRAFT-BIER IM WOHNQUARTIER

Wie aus einem Bierbraukurs eine Kleinbrauerei wurde – ein Besuch bei Roger Senns «Sennbräu» mitten in einem Buchser Wohnquartier.

 

von Doris Büchel

Roger Senn bringt es mit einem herzhaften Lachen auf den Punkt: «Die Mutter ist schuld!» Was 2012 als Geburtstagsgeschenk für Vater Ueli Senn begann, entwickelte sich nicht nur für ihn, sondern auch für seine Söhne, die ihn begleiteten, zu einer Leidenschaft. Sechs Jahre lang brauten Ueli (gelernter Betriebselektriker und Technikspezialist), Roger (gelernter Koch und Restaurationsfachmann) sowie Reto (Ideengeber für spezielle Rezepte und Etiketten) in der Folge jeden Samstag gemeinsam Bier. Garage, Holzlager und sogar die Sauna mussten dafür weichen. Es wurde gebraut, getüftelt, verworfen und optimiert. Dann, 2018, übernahm Roger und setzte alles auf eine Karte. Der Rest ist Geschichte. Die Entstehungsgeschichte der «Sennbräu» in diesen wenigen Zeilen zu erzählen, wäre allerdings schade. Schliesslich gibt es noch viel mehr über die erfolgreiche Buchser Kleinbrauerei zu berichten.

Wussten Sie zum Beispiel, dass Roger Senn Bier aus Arvenholz-Spänen braut? Aus Kastanien? Aus Kürbissen? Randen? Wussten Sie, dass im «Sennbräu» seit 2018 jährlich rund 20'000 Liter Bier gebraut werden, was etwa 30'000 Flaschen entspricht? Dass jedes einzelne «Truuba Spezli Amber» durch die Hände von Roger Senn geht, bevor es in der Traube serviert wird? Dass die Schweiz mit 1'200 Brauereien die höchste Brauereidichte der Welt aufweist? Nein? Dann haben wir hier eine kleine Geschichte für Sie…

Roger Senn, 39 Jahre alt, redet schnell. So schnell, dass er manchmal vergisst, dass ich mich nicht auskenne. So muss ich ihn mehrmals unterbrechen: «Moment, wie war das noch mal mit den Enzymen?» – «Sagtest du ‹einmischen› oder ‹einmaischen›?» – «Äh, Arvenholzspäne?» So schnell er spricht, so herzlich lacht er. Und er lacht oft und gerne. Kurz: Er ist ein leidenschaftlicher, geselliger und sehr offener Mensch. «Ich habe Menschen gern», antwortet er auf meine Bitte, sich selbst zu charakterisieren. «Und ich habe Energie für zehn», fügt er schmunzelnd hinzu. Die braucht er auch, schliesslich ist er für den gesamten Prozess selbst verantwortlich – von der Vorbereitung über das Brauen bis hin zum Abfüllen und Etikettieren der Flaschen. Doch dann wird er plötzlich ernst. Beim Bierbrauen müsse man mit dem Kopf bei der Sache sein, sagt er, während wir die wenigen Schritte in das Sudhaus gehen, dorthin, wo gebraut wird. Wie sieht ein typischer Arbeitstag eines Braumeisters aus? «Natürlich habe ich für jedes Bier ein eigenes Brauprotokoll – ein Rezept, an das ich mich halte. Am Vorabend schrote ich das Malz und bereite alles für den nächsten Tag vor. Morgens fülle ich dann die Braupfannen mit Wasser, das mische ich mit dem Malz, und während der Wartezeiten erledige ich andere Dinge: aufräumen, Tanks und Flaschen reinigen, Etiketten aufkleben und Neues ausprobieren.» Oft kommt jemand spontan vorbei, da darf er sich nicht ablenken lassen, sondern muss sowohl die Uhr als auch die Temperaturanzeigen stets im Auge behalten.

Für den jungen Bierbrauer liegt die Faszination neben dem Handwerk im Tüfteln und Experimentieren. Wenn sich ihm die Gelegenheit bietet, packt er sie am Schopf. «Ich liebe diese Freiheit, Ideen umzusetzen, Dinge anzupacken und einfach mal auszuprobieren», sagt er und dann sprudelt es wieder aus ihm heraus. Er erzählt vom Schreiner, der mit einem Sack Arvenspäne vor der Tür stand und die Idee hatte, ein Arvenbier zu brauen. Oder vom Bauern, der sagte, er könne zwanzig Kilo Rüebli vom Feld holen. «Also habe ich die Rüebli geholt, mit Ingwer vermischt und daraus ein Bier gemacht.» Oder die beiden Frauen, die ihn baten, ihre Marke mit einem eigenen Bier zu ergänzen. Der Auftrag lautete: Mach irgendwas! Und Roger Senn machte irgendwas … das «Ötschis-Bier» war geboren. Nur einmal war und blieb er skeptisch. «Als mir derselbe Bauer frische Randen vom Feld brachte, fand ich das auch wegen der Farbe cool, machte aber sicherheitshalber nur einen halben Sud. Und dabei ist es geblieben.» Auch wenn sich nicht alles zum Bierbrauen eignet, so mag er doch besonders die Produkte aus der Region. Dazu gehört auch das weiche Malschüeler-Wasser, das sich perfekt zum Bierbrauen eignet.

«Ich liebe diese Freiheit, Ideen umzusetzen, Dinge anzupacken und einfach mal auszuprobieren.»

Lustig: Obwohl die kleine Brauerei am Röllweg mitten in einem Wohnquartier liegt, wissen oft nicht einmal die Anwohner davon. Dafür stehen regelmässig Touristinnen und Touristen aus aller Welt vor der Tür. «Die sehen im Internet, dass es hier eine kleine Brauerei gibt und beschliessen, sich das mal anzuschauen. Neulich waren amerikanische Gäste bei einem Nachbarn zu Besuch. Sie sagten, sie würden sich gerne diese Craft-Beer-Brauerei in der Nähe ansehen. Die Nachbarn kannten uns nicht.» Trotz des allgemein rückläufigen Bierkonsums ist Roger Senn überzeugt, dass das «Sennbräu» mit unkonventionellen Bieren wie dem Arvenbier – besonders beliebt bei den «Hölzigen», wie bei uns die Zimmermänner und Schreinerinnen im Handwerkerjargon genannt werden – seine Nischen finden wird. Apropos Nischen: Etwas mehr Arbeitsfläche wäre schön, aber Roger Senn liebt das Familiäre. «Es ist übersichtlich und ich bin nahe bei der Kundschaft. So soll es auch bleiben. Vergrössern kommt für mich nicht in Frage.» So blickt er optimistisch in die Zukunft, in der das Persönliche, die Einzigartigkeit seiner Biere und die Liebe zum Handwerk immer wichtiger werden – davon ist er überzeugt. Es ist auch eine Zukunft, in der er sich zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder ein paar Tage Ferien gönnt.

In diesem Sinne: Prost!

Tabula Rasa

Eine Charaktereigenschaft, die nicht jeder von dir kennt? Meine Sturheit. Was ist das Beste an der Selbstständigkeit? Das hohe Mass an Flexibilität. Was ist die grösste Herausforderung bei der Selbstständigkeit? Davon leben zu können. Welche Fähigkeit hättest du gerne? Ich würde gerne das technische Handwerk beherrschen. Deine Quelle der Inspiration? Mein Vater.

 

Das beste Bier der Welt? Das gibt es nicht, wie alles ist auch Bier Geschmackssache. Bierbrauen – Kunst oder Wissenschaft? Kunst! Was ist das schönste Kompliment, das dir jemand machen kann? Jede Art von positivem Feedback. Was würdest du vermissen, wenn du aufhören müsstest? Die flexiblen Arbeitszeiten und die Arbeitseinteilung. Mit wem würdest du gerne ein Bier in der Traube trinken? Mit Andrea Caminada. Was würdest du ihn fragen? Ob ihm das Bier schmeckt.